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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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unsympathisch. Ich mag die, die aufs Ganze gehen, obwohl sie immer verlieren. Ich mag Frauen, die sich nichts gefallen lassen und wütend sind, weil sie leidenschaftlich leben. Und ich mag dich, weil ich nicht genug davon bekommen kann, wie du deine Haarsträhnen hinter die Ohren zurückstreichst und wie du mich böse anblitzt, ich liebe es, wie du gehst, unbeholfen wie ein junges Fohlen, und dass du einen Mann windelweich schlagen kannst, wenn der verliebte Idiot sich in deinem alten und übrigens sehr schönen Garderobenschrank versteckt.«
    Sie sah ihn an, die Augen noch feucht von den Tränen, ihre Pupillen zuckten hin und her, die Lippen wogten und ihr Atem wurde immer lauter. Es war wie bei der Geburtsstunde des Universums: völlig unklar, was dabei herauskommen würde.
    Zuerst einmal riss Béatrice ihre Fäuste frei.
    »Ich sollte die Polizei anrufen, dich einsperren lassen. Wegen Einbruch, Stalking, geballten Unverschämtheiten, Lügerei und weil du mich vor unserem Pfarrer bloßgestellt hast. Aber jetzt kann ich das alles nicht mehr, weil du so wundervolle Sachen gesagt hast, du elender, verdammter Mistkerl!« Sie schlug ihn nochmals auf die Brust, doch diesmal tat es Jan überhaupt nicht weh. Dann hielt sie inne und blickte ihm noch tiefer in die Augen, so wie man in eine Suppe schaut, in der man eine Fliege vermutet. «Wieso sagst du so was überhaupt? Dass du in mich verliebt bist? Du kennst mich nicht, und bis vor Kurzem hast du mich sogar für eine Mörderin gehalten! Bist du etwa…pervers?«
    »Wenn verrückte Winzerinnen zu lieben pervers ist, bin ich gerne pervers. Und ich will auch keine Therapie dagegen.« Er nahm wieder ihre Hände, doch nun waren sie nicht mehr zu Fäusten geballt. »Ich hab dich nie für eine Mörderin gehalten, keine Sekunde, nur der Professor. Und was meine Gefühle betrifft: Manchmal verliebt man sich eben Hals über Kopf, aber das passiert ganz selten. Und so etwas Wertvolles will ich nicht einfach verstreichen lassen, verstehst du? Ich würde mir nie verzeihen, wenn ich dir nicht die Wahrheit über meine Gefühle gesagt hätte.«
    Sie zog einen Stuhl vom Tisch. »Setz dich.«
    »Wieso?«
    »Mach es einfach.«
    Und Jan machte es einfach. Sie würde ihn schon nicht köpfen. Oder?
    Béatrice nahm ihm gegenüber Platz. »Okay, bevor es irgendwie mit uns weitergehen kann, falls es irgendwie weitergeht, müssen wir erst einmal die Sache mit Madeleine aus der Welt schaffen. Hör gut zu, denn jetzt gibt es die Wahrheit. Danach will ich nie mehr darüber reden, haben wir einen Deal?«
    »Du musst das nicht sa…«
    »Ich will es dir aber sagen. Also, haben wir einen Deal?«
    »Klar.«
    »Sie hat mir Geld geliehen. Immer wieder. Am Anfang, ohne mir Vorwürfe zu machen, doch mit der Zeit redete sie mir immer häufiger ins Gewissen. Madeleine wollte, dass ich mit dem Spielen aufhöre. Es ist ja nicht nur das Weinpokern, ich wette auch auf Fußballspiele. Aber nur auf Olympique Lyonnais.«
    »Im Beichtstuhl hast du doch gesagt, du hättest Schuld auf dich geladen. Wie hast du das gemeint?«
    Béatrice holte sich und Jan ein Bier aus dem Kühlschrank. Sie nahm einen langen Schluck, bevor sie weitersprach. Die Sache schien ihr noch sehr nahezugehen. »Am Abend bevor Madeleine ermordet wurde, da haben wir uns gestritten. Schlimm gestritten. Sie wollte mir nichts mehr leihen, dabei war ich mir so sicher, dass ich das Ergebnis vom Spiel gegen Monaco wusste. Aber sie sagte, sie würde mir nichts mehr geben, bevor ich nicht in Behandlung ginge. Da wurde ich wütend und habe sie beschimpft.«
    Und das, dachte Jan, konnte sie gut.
    »Beim Abschied habe ich die Tür so geknallt, dass sie aus den Angeln gehoben wurde. Und am nächsten Morgen war Madeleine tot. Das Letzte, was ich ihr an den Kopf warf, war "Rombière".« Es war eines der Schimpfwörter, die Jan mittlerweile kannte. Alte Schachtel. »Dabei habe ich sie doch geliebt! Sie war wie Familie für mich. Jetzt kann ich ihr das nie mehr sagen und meine Schulden nicht mehr zurückzahlen.« Béatrice zupfte das Etikett von der Bierflasche. »Sie fehlt mir sehr.«
    Da stand Jan auf, ging zu ihr hinüber und nahm sie in den Arm, ganz fest. Doch Béatrice riss sich wieder los.
    »Ich bin eine verrückte Frau, weißt du das? Mit mir stimmt was nicht.«
    »Du kannst überhaupt nicht so verrückt sein, dass ich nicht bis über beide Ohren in dich verliebt wäre.«
    Daraufhin nahm sie seine Hand und führte ihn die Wendeltreppe hinunter zum

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