Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor
Falken, andererseits dürfte es klüger sein, es nicht darauf ankommen zu lassen.« Wolle raschelte, als sie sich Travis näherte, die Hand ausstreckte und ihm ein entwaffnendes Lächeln schenkte. »Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen.«
Unsicher, wie er sich nun genau zu verhalten hatte, ergriff Travis ihre Hand und küßte sie.
»Nun, offensichtlich hat hier wenigstens eine Person die richtigen Manieren«, sagte Melia mit funkelnden Augen.
»Du solltest dir einen Sitzplatz suchen, Travis«, sagte Falken. »Lady Melia und ich haben einiges aufzuholen, und das dürfte eine Zeitlang dauern.«
Falken setzte sich auf einen Stein in Melias Nähe, aber Beltan blieb auch weiterhin hinter der dunkelhaarigen Frau stehen. Travis fand einen Platz in der Sonne, der nicht zu weit von den anderen entfernt war. Er setzte sich mit untergeschlagenen Beinen auf den Boden und ließ sich vom Morgenlicht das Gesicht wärmen, während er lauschte.
Es war Melia, die den Anfang machte. »In dem Jahr seit unserer Trennung, nach der wir in entgegengesetzte Richtungen reisten, ist eine Menge geschehen, Falken. Beltan und ich haben allen sieben Domänen einen Besuch abgestattet, und wir haben viel gesehen und gehört, das besorgniserregend ist. Aber laß mich mit dem anfangen, was wohl die dringlichste Neuigkeit sein dürfte. Der Rat der Könige ist nach Calavere einberufen worden. In diesem Augenblick reisen die Herrscher der anderen sechs Domänen nach Calavan.«
Falken stieß einen leisen Pfiff aus. »Dann müssen die Dinge wirklich schlimm stehen. Ich fürchte, wo ich das letzte Jahr unterwegs war, habe ich nur wenig Neues vom Rest Falengarths erfahren. Erzähl mir mehr.«
Während das Sonnenlicht über den grasigen Boden kroch, führten Falken und Melia ihren Austausch fort; gelegentlich hatte auch Beltan etwas hinzuzufügen. Travis beobachtete sie mit regem Interesse. Schließlich waren das die Leute, die vielleicht dazu in der Lage waren, ihm bei der Rückkehr nach Colorado zu helfen. Er verstand nur wenig von ihrer Unterhaltung, aber während des Gesprächs konnte er ein paar Informationen über die beiden Fremden zusammentragen. Anscheinend kam der große Ritter, Beltan, aus der Domäne Calavan, wo dieser Rat der Könige veranstaltet werden sollte. Keiner erwähnte, aus welchem Land Melia stammte, doch Travis gewann den Eindruck, daß sie aus dem tiefen Süden kam und daß sie dort eine Lady von einigem Einfluß war. Zumindest benahm sie sich dementsprechend.
Irgendwann während seiner Beobachtung richtete Travis die Nickelbrille, und dabei hatte er den flüchtigen Eindruck, bei jedem von ihnen eine schwache Aura erblicken zu können. Beltans Aura leuchtete strahlend golden, allerdings wies sie einen dunklen Ton auf, fast so ähnlich wie eine Trübung. Auch Falken besaß eine Aura, die Travis zuvor noch nie aufgefallen war – so blaß wie Silber und so traurig wie Valsindar im Winter. Am hellsten leuchtete die Aura um Lady Melia. Sie hatte dieselbe intensive Bernsteinfarbe wie ihre Augen, doch sie war durchsetzt von einem himmelblauen Schimmer.
Melia drehte den Kopf und bedachte Travis mit einem durchbohrenden Blick. Überrascht fummelte er an seiner Brille herum, und die Auren waren verschwunden – falls er sie jemals tatsächlich gesehen hatte. Melia wandte sich wieder Falken zu.
Soweit Travis das Gehörte verstand, hatten sich Melias und Beltans Wege letzten Herbst von denen Falkens in der Domäne Calavan getrennt, und sie hatten verabredet, sich in einem Jahr in Kelcior zu treffen. Ihre Reisen hatten dem Zweck gedient, nach der Quelle des Bösen zu suchen, das begonnen hatte, sich in Falengarth auszubreiten. Im Verlauf von Melias und Beltans Geschichte wurde ersichtlich, daß sich die Lage in dem vergangenen Jahr deutlich verschlimmert hatte.
In allen Domänen war der Sommer kurz und katastrophal gewesen. Auf den Feldern ging das Getreide zugrunde, während Seuchen ein Dorf nach dem anderen heimsuchten. Jetzt kam der Winter sehr früh, und so wie es aussah, würde er sehr lang bleiben. Ein harter Winter würde zur Folge haben, daß die Banden von Barbaren und Gesetzlosen, die für gewöhnlich die Moore an den Außenbezirken der Domänen durchstreiften, auf der Suche nach Wärme und Verpflegung tiefer in das Herz der zivilisierten Länder vorstießen. Schon jetzt wuchs unter den Bauern Unruhe und Furcht, und das machte die Adligen mehr als nur etwas nervös. Doch die Bauern fürchteten sich nicht nur vor
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