Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor
Falken gingen zur Küchenbaracke, die an ein Stück der Hofmauer angrenzte. Der Barde beschwatzte die rotgesichtige Köchin mit seinem Charme, ihnen einen Krug Bier und einen einen Tag alten Laib Brot zu geben, und sie frühstückten auf einem Steinhaufen. Bier wäre nicht Travis' erste Wahl gewesen, um sich den Geschmack des vergangenen Abends aus dem Mund zu spülen, aber die Flüssigkeit in dem Krug erwies sich eher mild als feurig und tat ihren Dienst. Das schwarze Brot war hart, aber wohlschmeckend und sättigend.
Während des Essens sah Travis den Männern zu, die die Hofmauer reparierten. Falken zufolge gab es in diesem Land Barbarenhäuptlinge und Banditenhorden, die die alte Festung mit Begeisterung an sich reißen würden, falls Kel ihnen die Chance gab. Hier in den Randgebieten der Domänen war das Leben hart und kaum zivilisiert, und ein unbedeutender König herrschte durch die Macht seiner Krieger und nicht durch das Recht, das sich aus seiner Herkunft ableitete. Doch Kel hielt die Festung nun schon seit einigen Jahren. Er hatte mit einigen der Kriegshäuptlinge Bündnisse geschmiedet, und im Austausch für einen Zehnten Korn und Fleisch beschützten seine Krieger die im Westen entlang des Königinnenpfads verstreuten Dörfer. Es war kein perfektes System. Aber es funktionierte.
Falken erhob sich. »Komm, machen wir uns auf den Weg.«
»Wo gehen wir hin?« fragte Travis mit dem letzten Bissen Brot im Mund.
»Das wirst du schon sehen.«
Travis wußte, daß er von dem Barden keine weitere Erklärung erhalten würde. Er trank das Bier aus und folgte ihm. Sie gaben den leeren Krug in der Küche ab, dann verließen sie den Hof durch ein Tor. Zu ihrer Linken lag ein zerstörter Teil der Festung, und der Barde schlug diese Richtung ein. Sie suchten sich ihren Weg vorbei zwischen Hügeln aus zerborstenen Steinen, und bald wurde Travis klar, daß sie auf den Stumpf des zerstörten Turms am Ende der Halbinsel zuhielten. Trotz der morgendlichen Kühle schwitzend erreichten sie den Turm und traten durch einen offenen Torbogen. Das Dach fehlte, der kreisrunde Boden war mit trockenem Gras bedeckt. Durch eine Lücke in der Ostmauer drang Sonnenlicht herein. Eine Frau mit Bernsteinaugen in einem mitternachtsblauen Unterkleid und ärmellosen Überkleid saß auf einem großen Steinblock, neben ihr stand ein hochgewachsener, blonder Ritter, die Hand auf dem Schwertgriff – dasselbe Paar, das er am Vorabend auf dem Fest gesehen hatte.
»Nun, wird auch Zeit, daß du endlich kommst, Falken Schwarzhand«, sagte die Frau.
Travis warf dem Barden einen nervösen Blick zu. »Das sind die Freunde, von denen du gesprochen hast, nicht wahr?«
»Wie bist du da nur drauf gekommen?« erwiderte Falken. Der Barde trat vor die beiden hin. »Es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, aber es gab unterwegs ein paar … Komplikationen.«
Die Frau richtete ihren durchdringenden Blick auf Travis. »Das sehe ich.«
Die Aufmerksamkeit bereitete ihm Unbehagen. Etwas an der Art, wie sie ihn ansah, vermittelte ihm das Gefühl, völlig durchsichtig zu sein. Er seufzte erleichtert, als sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Falken richtete.
»Wir wollten dich schon aufgeben. Der verabredete Zeitpunkt war vor einem Monat, und ich kann dir sagen, daß König Kels Gastfreundschaft, auch wenn sie von Herzen kommt, nach dem sechsten oder siebten Fest etwas ermüdend wird.«
»Ach, ich weiß nicht«, sagte der Ritter in einem fröhlichen Tonfall. Er kratzte sich an dem dünnen blonden Bart, der seine Wangen bedeckte. »Eigentlich gefällt es mir an Kels Hof. Man muß sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie man den Abend verbringen will. In gewisser Weise sind die sozialen Aktivitäten immer vorausgeplant.«
Die Frau stand auf. »Und, wirst du uns deinem Gefährten nun vorstellen, Falken? Oder hast du dich entschieden, auf jeglichen Anschein von Manieren zu verzichten, um besser zu König Kels Höflingen zu passen? Ich muß gestehen, das ist dir fast schon gelungen.«
Falken zuckte zusammen, dann wandte er sich Travis zu. »Travis Wilder, ich darf dir meine Freunde vorstellen.« Er warf den anderen einen finsteren Blick zu. »Obwohl ich mich manchmal frage, ob das wirklich das richtige Wort für sie ist. Wie dem auch sei, der große blonde Einfaltspinsel in der Rüstung ist Beltan. Und die hübsche Frau mit der stählernen Zunge ist Lady Melia.«
Melia bedachte Falken mit einem warnenden Blick. »Ich mag ja froh sein, dich zu sehen,
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