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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Probe zu stellen.«
    Falken blieb vor dem Tisch stehen. In seiner Hand hielt er einen Gegenstand, der in ein Stück Tuch eingewickelt war. »Als Bürger von Malachor berufe ich mich auf mein Recht, vor dem Rat zu sprechen.«
    Die Herrscher blickten sich gegenseitig fragend an. Boreas schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, daß es donnerte. »Ihr werdet nichts dergleichen tun, Falken Schwarzhand! Der Rat wird das nicht zulassen!«
    Falken blinzelte nicht einmal. »Doch, das wird er, Euer Majestät. Es ist mein Recht. Ich habe meine Heimat verloren und meine Hand. Aber dies könnt Ihr mir nicht nehmen, König Boreas. Keiner unter Euch kann das. Fragt Euren Lord Alerain. Er kennt die alten Gesetze besser als sonst jemand.«
    Boreas sah zu seinem Seneschall herüber, der an der gegenüberliegenden Wand stand. Alerain nickte widerwillig. Der König von Calavan schnaubte.
    Travis verstand gar nichts mehr. Hatte Beltan nicht gerade gesagt, daß Malachor vor siebenhundert Jahren gefallen war? Aber vielleicht war Falken ja einer der wenigen, die ihren Stammbaum direkt bis zu dem untergegangenen Königreich zurückverfolgen konnten.
    Boreas ergriff wieder das Wort, aber seine Stimme glich einem leisen Knurren. »Nun wohl, Falken. Scheinbar kann der Rat Euch nicht verbieten zu sprechen, aber Euer Benehmen an diesem Tag soll nicht vergessen werden.«
    »Das sollte es auch nicht. Lasset diese Worte in Euren Gedanken widerhallen, damit sie immer mit Euch sein werden. Denn die zwanzig Könige, die vor Euch kamen, haben keine so finstere Zeit zu bewältigen gehabt wie Ihr, König Boreas. Selbst Calavus der Große nicht.«
    Der Barde wickelte den Gegenstand in seiner Hand aus und warf ihn auf den Tisch. Es war Krond, das zerbrochene Siegel vom Runentor. Falken hob seine Stimme, als wollte er den ganzen Saal zu den Waffen rufen. »Der Fahle König ist erwacht!«
    Einen Moment lang herrschte absolute Stille.
    Dann brach Chaos im Rat der Könige aus.

9
    Grace war der Ansicht gewesen, König Boreas früher schon wütend gesehen zu haben.
    Sie hatte sich getäuscht. Das Plappern aufgeregter Stimmen füllte den Ratssaal, begleitet von Pfiffen und Buhrufen für den Barden. Mehrere der Herrscher wollten etwas sagen, aber ihre Stimmen gingen im Lärm unter. Boreas starrte Falken an, und in seinen Augen brannte mehr Wut, als einem einzelnen Mann möglich sein sollte: der Zorn eines Königs. Selbst von ihrem Sitzplatz aus – in der ersten Reihe neben Aryn – konnte Grace sehen, daß Boreas am ganzen Leib zitterte. Sie rechnete damit, daß er sich jeden Augenblick auf den Barden stürzen würde, wie ein wilder Stier, der einen glücklosen Matador zerquetscht.
    Aber Falken schien dieser königliche Zorn nicht im geringsten zu beeindrucken, auch als der Unmut der Zuschauer immer lauter wurde. Grace hatte plötzlich das Gefühl, daß Boreas ihn vielleicht doch nicht so leicht loswerden würde. Sie kannte den harten, teilnahmslosen Gesichtsausdruck, den Falken trug. Sie hatte diesen Ausdruck unzählige Male im Krankenhaus gesehen: in den Augen von Kindern, die zum fünften Mal einer Chemotherapie unterzogen wurden, im glasigen Blick attraktiver junger Männer, die viel zu dünn waren, auf den mißhandelten Gesichtern von Frauen, die gerade ihren Ehemann erschossen hatten. Irgendwie wußte sie, daß Falken Dinge gesehen hatte, die weder sie noch König Boreas noch sonst irgend jemand in diesem Raum sich vorstellen konnten.
    Die Pfiffe endeten. Das Grölen verklang zu einem Tuscheln, dann einem Flüstern. Die Adligen setzten sich wieder. Selbst Boreas, dessen Gesicht immer noch vom Zorn gerötet war, ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder. Im Inneren des Turms wurde es totenstill.
    Jetzt waren alle Blicke auf den Barden gerichtet. Falken rührte sich immer noch nicht. Trübgoldenes Licht fiel von der Decke herab, leises Flattern war zu hören: das Schlagen von Taubenflügeln. Dann schwebte ein neuer Klang durch die Luft, als Falken mit leiser und klarer Stimme ein Lied anstimmte:
    »Herr des Himmels –
Wo weht dein Wind jetzt,
der meine Fahnen stolz gebläht?
Olrig, Vater,
Du hast mich verlassen.
    Lady von Eldh,
Wo liegt dein sanftes Heim
im rätselhaften Grün?
Sia, Mutter,
Deine Erde soll mich bedecken.
    Vater, komm!
Mutter, komm!
Ihr habt mich verlassen.«
    Die Stimme des Barden verschmolz mit dem Gurren der Tauben. Trotz der vielen Menschen, die sie umgaben, fröstelte Grace. Sie wußte zwar nicht, wovon der Barde sang, aber sie

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