Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige
verhüllten und deren Füße keine Abdrücke im Schnee hinterließen. Dies waren die Nekromanten, die Magier des Fahlen Königs, die die Armee der Feydrim erschaffen hatten.
Mit tapferen Schlachtrufen stießen Ulthers Grafen vor, aber der Fahle König streckte sie mit seinem eisigen Schwert nieder. Zuletzt stand nur noch Ulthers Hofnarr, der immer noch seinen Herrn mit Liedern aufzuheitern suchte. Dann fiel auch er. Sein Lied verklang, als sein Blut den Schnee befleckte. Nun war Ulther wirklich allein.
Der Fahle König ließ seine Zauberer zurück und näherte sich Ulther. Er fürchtete ihn nicht, denn durch die Macht von Imsaridur konnte ihn keine sterbliche Hand verletzen, ob mit oder ohne Dunkelelfenklinge. Auch hatte Berash gar kein Herz, das man durchbohren konnte, denn seines war schon vor langer Zeit gestorben und durch ein verzaubertes Herz aus kaltem, hartem Eisen ersetzt worden.«
Grace zog zischend Luft durch die Zähne und setzte sich auf. Aryn sah sie verwirrt an, genau wie Durge und Melia, die direkt neben der Baronesse saßen. Nein, das kann nicht sein! Das ist nur eine Geschichte. Ein Märchen. Ein verdammtes Märchen von einer Welt, die noch nicht einmal die Erde ist. Es kann sich nicht um das gleiche handeln, Grace. Das ist unmöglich.
Noch während sie sich diese Dinge sagte, wußte sie, daß es sich doch um das gleiche handelte. Der Tote im Krankenhaus, Detective Janson und die anderen Eisenherzen, von denen Hadrian Farr wußte, hatten mit dieser Welt zu tun und mit dieser Geschichte. Aber was? Sie drückte die Hand der jungen Baronesse, um sie zu beruhigen, obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug. Dann lehnte sie sich vor, um der Geschichte des Barden zu lauschen.
»Der Fahle König stieg von seinem Schlachtroß und baute sich vor Ulther auf; auf seiner Brust strahlte grell Imsaridur. Er hob das Schwert, um Ulther den Kopf abzuschlagen.
›Niemand kann vor mir stehen‹, sagte der Eiskönig.
›Dann werde ich Euch auf den Knien erschlagen!‹ schrie Ulther.
Der König von Toringarth packte Fellrings Griff und stieß die Klinge nach oben, um den Fahlen König zu töten. Berash riß die weißen Augen auf. Vom Opfer der Elfen verzaubert, versank das leuchtende Schwert in der Brust des Fahlen Königs und spaltete sein eisernes Herz in zwei Teile. Im gleichen Augenblick zersplitterte Fellring in Ulthers Hand, ein kalter Schauder fuhr durch seinen Arm, tief in seine Brust hinein und traf sein Herz. Der Fahle König stürzte auf das schneebedeckte Feld, doch Ulther blieb mit dem Griff der zerbrochenen Klinge in der Hand stehen. Er stolperte auf den Fahlen König zu und nahm seinem Feind die Kette Imsaridur ab. Dann stürzte auch Ulther auf den kalten Boden. Er sah, wie die Nekromanten auf ihn zukamen, ihre Umhänge flatterten wie schwarze Flügel im Wind. Nun würde sein Ende kommen.
Plötzlich durchbrach ein hohes und klares Geräusch die eisige Luft: der Klang von Fanfaren. Die Sonne durchbrach den Nebelschleier, der über dem Tal hing, und die Horde der Feydrim, vom Sturz ihres Herren entmutigt, wich vor dem Licht zurück. Die Sonne glitzerte auf den Spitzen von fünfzigtausend Speeren. Wieder erklangen die Fanfaren, diesmal aus der Nähe, und eine strahlende Armee marschierte in das Tal der Schattenkluft ein. Sie wurde von einer stolzen Frau auf einem weißen Pferd angeführt. Elsara, Kaiserin von Tarras, war endlich eingetroffen. Ulther lachte, dann fiel er vornüber und verlor das Bewußtsein.«
Falken verstummte, und das Ratsgemach nahm wieder Konturen an. Einen Moment lang war Grace da gewesen, in dem verschneiten Tal, und hatte den Fahlen König gesehen, wie er farblos wie Eis auf seinem Mitternachtsroß saß. Aber noch konnte die Geschichte nicht zu Ende sein. Falken war doch noch nicht fertig.
»Aber wie ging es zu Ende?«
Zu ihrem Entsetzen wurde sich Grace plötzlich bewußt, daß die Stimme ihre eigene gewesen war. Sie hatte die Worte nur flüstern wollen, aber es war durch die Erzählung des Barden so still geworden, daß die Frage im ganzen Raum zu hören war. Boreas starrte sie giftig an, und Grace sank in sich zusammen.
»Wie es endete?« erwiderte Falken. »Wie es endete? Die Geschichte ist noch gar nicht zu Ende, Mylady. Sie dauert bis heute an, und nun sind wir alle Figuren darin, ob wir wollen oder nicht. Ohne die Magie ihres Herrn im Hintergrund konnten sich die Feydrim Elsaras Armee nicht widersetzen. Sie wurden vollständig vernichtet. Als Elsara die Reißzahnspalte
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