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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Tür öffnete sich, und zusammen traten sie ein.

13
    Am Morgen nach seiner Begegnung mit Rin nahm Travis die Studien bei den Runensprechern auf. Falken weckte ihn im kalten grauen Licht vor der Morgendämmerung.
    »Es ist Zeit«, sagte der Barde.
    Noch halb schlafend zog sich Travis das Wams über, hüllte sich in seinen Nebelmantel und stolperte nach draußen. Er ging schwerfällig über den gefrorenen Schlamm des Unteren Burghofs – der zu dieser frühen Stunde menschenleer war – bis zur Behausung der Runensprecher. Vor der Tür zögerte er mit klappernden Zähnen. Schließlich trug die Kälte den Sieg davon, und er klopfte. Die Tür öffnete sich, rauchiges Licht ergoß sich auf den Boden.
    »Komm rein«, sagte eine scharfe Stimme.
    Er gehorchte, und die Tür schloß sich hinter ihm.
    Wie Travis bald entdecken sollte, hatten die Runensprecher zumindest etwas Gutes. Sie tranken viel Maddok. Stets kochte in dem schäbigen Hauptraum des Turms ein Topf der dunklen Flüssigkeit blubbernd über einer kupfernen Kohlenpfanne. An diesem ersten Tag leerte er ein halbes Dutzend Tassen, bis sein ganzer Körper vibrierte und sein Verstand so leicht und klar wie eine Glaskugel war. Nicht, daß es ihm viel genützt hätte.
    »Weißt du, was das ist?« Jemis zeigte auf die Linien, die er mit einem Griffel auf eine Wachstafel gezeichnet hatte. Jemis war der ältere der beiden Runensprecher, ein dünner und hartgesichtiger Mann, der seine mittleren Jahre schon weit hinter sich gelassen hatte. Seine fadenscheinige Robe war weniger grau als vielmehr schmierig.
    Travis schob die Brille hoch und studierte die Tafel im Schein der Kohlenpfanne. Der Turm war zugig, und sie saßen auf Decken so nahe am Feuer, wie sie wagten. Ja, das war eine der Runen, die Falken ihm beigebracht hatte. »Das ist die Rune des – aua!«
    Travis hätte sich beinahe die Zunge durchgebissen, als Jemis ihm den Eisengriffel auf die Hand schlug. Er riß die schmerzenden Finger zurück. Das hatte weh getan.
    »Falsch«, sagte Jemis mit einem Tonfall, der genauso beißend wie der Schlag war. »Du weißt gar nichts, Lehrling.« Die beiden Runensprecher hatten Travis von Anfang an klargemacht, welchen Platz er einnahm. »Was auch immer man dir zuvor beigebracht hat, vergiß es. Über welches Wissen du auch immer zu verfügen glaubst, wirf es wie Unsinn aus deinem Schädel. Du weißt nur das, was wir dir beibringen. Vergiß das nie, Lehrling.«
    Rin reichte Travis eine dampfende Tasse Maddok. »Ich weiß, daß du vermutlich eine Menge Fragen hast, Travis. Aber du mußt uns vertrauen. Im Grauen Turm hat man die Lehrlinge seit Jahrhunderten auf die gleiche Weise ausgebildet. Die Lektionen mögen für dich nicht immer einen Sinn ergeben. Als ich anfing, haben sie auch keinen Sinn gemacht. Später, nachdem ich gelernt hatte, sah ich ein, daß es auf diese Weise tatsächlich am besten war.«
    Das Gesicht des jungen Runensprechers war nichtssagend, aber seine braunen Augen waren voller Mitgefühl und sein Lächeln ehrlich. Travis nahm die Tasse entgegen, trank und stellte sie ab.
    »Unterrichtet mich«, sagte er.
    Die erste Lektion war einfach: Er hörte zu. Während Tauben in den hoch über ihnen befindlichen Dachbalken umherhuschten, erzählte Jemis die Geschichte von Olrig dem Dieb, jenem alten Gott, der den Drachen das Geheimnis der Runen stahl, zusammen mit der Kunst, Bier und Poesie zu erzeugen. Travis starrte die Kohlenpfanne an und ließ sich in ein Zeitalter entführen, das im Nebel der Zeit verschollen war. Damals war die Welt noch jung. Die Alten Götter hausten im Stein, den Flüssen und dem Himmel, und ihre Kinder, das Kleine Volk, lachten und sangen in den Wäldern. Und dann gab es noch die Drachen, die in ihren Gruben lauerten, schon zu Anbeginn der Zeit uralt – bösartig und schrecklich weise.
    Die Geschichte endete. Feuerschein flackerte über Jemis’ Gesicht.
    »Aber was sind sie?« fragte Travis. »Die Runen, meine ich. Warum sind sie so wichtig?« Er bemühte sich, nicht mit dem Finger über die Fläche seiner rechten Hand zu streichen.
    Es war Rin, der antwortete. »Vor der Welt gab es nichts. Oder vielmehr, es gab alles. Licht und Dunkelheit, Feuer und Eis, Nacht und Tag – das alles war in einem Meer aus Zwielicht vermengt, ohne Ende, ohne Zeit. Dann sprach der Weltenschmied die Erste Rune, die Rune Eldh, und alles veränderte sich.«
    »Eldh?« Travis runzelte die Stirn – das ergab keinen Sinn. »Aber ist das nicht der Name

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