Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm
zuvor.
»Travis?«
Der Klang der leisen Stimme ließ ihn aufsehen. Deirdre stand mit besorgtem Gesichtsausdruck auf der anderen Seite der Theke. Er spürte etwas Feuchtes an der Hand. Es war ein nasser Lappen, den er umklammert hielt. Er mußte damit die Theke abgewischt haben, nur um mitten in der Arbeit aufzuhören. Wie lange hatte er wohl da gestanden und ins Leere gestarrt?
Sei auf der Hut – es wird dich verzehren.
Er versuchte die gekrächzten Worte aus seinen Gedanken zu vertreiben, aber es gelang ihm nicht. Was hatten sie zu bedeuten? Die Worte waren eine Art Warnung, aber wovor? Und warum hatte der brennende Mann sie Travis überbracht?
Du bist derjenige, der mich an diesen Ort gelockt hat.
Von der Angst erfüllt, daß er die Antwort kannte, verkrampften sich seine Finger um den Lappen, Wasser tropfte auf die Theke.
Deirdre strich über seine Hand. Er erschauderte und ließ den Lappen los.
»Wir sind fast fertig, Travis, um öffnen zu können. Wir müssen nur noch ein bißchen durchlüften. Gibt es hier noch einen zusätzlichen Ventilator, den wir nehmen könnten? Wir könnten ihn ins nördliche Fenster stellen.«
Travis nickte, obwohl er nicht davon überzeugt war, ob es überhaupt Sinn machte, den Saloon zu öffnen. Er bezweifelte, daß seine Gäste zurückkamen. Ganz egal, wie hart er putzte, ganz egal, wieviel frische Luft er einließ, er würde weder den schwarzen Fleck auf dem Boden noch den ätzenden Gestank jemals wegbekommen – zumindest nicht vollständig. Dann waren da die Löcher, die in die Asphaltoberfläche der Elk Street eingebrannt waren und zum Saloon führten, Löcher, die wie Fußabdrücke geformt waren. Sie würden für alle Zeiten da sein, eine Erinnerung an den brennenden Mann. War man einmal gezeichnet, würde man niemals vergessen können. Travis wußte das.
Aber er teilte Deirdre seine Gedanken nicht mit. Sie war in den vergangenen drei Tagen eine erstaunliche Hilfe gewesen, ein unerwartetes Licht in all dieser Dunkelheit.
»Im Lagerraum ist ein Ventilator«, sagte er. »Ich hole ihn.«
Er kam ein paar Minuten später mit dem Ventilator zurück. Deirdre schob Stühle zurecht und wischte Tische ab. Die Tür des Saloons stand offen, aber es war kein Gast hereingekommen – nur heiße Luft und Staub. Travis stellte den Ventilator ins Fenster und schaltete ihn ein, aber er schien nur den Staub zu verteilen.
»Müßtest du nicht beim Festival sein?« fragte er, als er Deirdre half, einen Tisch von der Wand zu rücken.
Sie ergriff mit jeder Hand einen Stuhl und stellte sie an Ort und Stelle. »Nur an den Wochenenden.«
»Bist du sicher? Schließlich habe ich dir nicht genug gezahlt, um diese ganze Arbeit hier zu erledigen. Ich möchte nicht, daß du auf deinen Verdienst verzichtest.«
Sie klopfte den Staub von den Händen. »Bei dieser Hitze ist beim Festival nicht viel zu verpassen. Leute mit einem Sonnenstich sind nicht gerade die besten Trinkgeldgeber.« Ihr Tonfall wurde leise. »Außerdem bin nicht ich es, um die du dir Sorgen machen solltest.«
Deirdre sah in die Ecke, und Travis folgte ihrem Blick. Also hatte doch jemand den Saloon betreten. Travis seufzte, dann ging er auf den kleinen Tisch in der Ecke zu.
»Max, du solltest zu Hause sein. Was machst du hier?«
Max grinste sein Hundelächeln. »Ich war mir nicht sicher, ob du es allein schaffst, Travis. Also dachte ich mir, geh hin und vergewissere dich, daß alles in Ordnung geht.« Sein Gesicht verzog sich, er hielt sich das rechte Handgelenk. Die Hand war in einen weißen Verband gehüllt.
»Max …«
»Schon gut, Travis. Wirklich.« Max nahm die Finger vom Gelenk. »Ich wollte bloß … Ich wollte nicht allein zu Hause sitzen.«
Travis nickte. Wenn er allein war, hörte er die Worte des Verbrannten am deutlichsten. Aber der Schmerz, der seinem Partner in das sonst so fröhliche Gesicht geschrieben stand, machte ihm zu schaffen. Irgendwie hatte sich Max schlimm verbrannt, als er den Mann in Schwarz berührte. Als sie ihn endlich ins Castle County Krankenhaus gebracht hatten, war seine ganze Handfläche mit Brandblasen übersät gewesen. Jetzt lag eine feine Schweißschicht auf Max’ Zügen, aber trotz der Hitze zitterte er. Er fieberte – er brauchte Ruhe.
Oder konnte man Max auf andere Weise helfen? Plötzlich fiel Travis etwas ein, aus dem eine Idee geboren wurde. Er sah wieder Melia vor sich, wie sie in eine Wolldecke gehüllt vor dem Trümmerhaufen hockte, der eben noch der Weiße Turm der
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