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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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eingerosteter Stimme, und sein hageres Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Wie ich sehe, sind Sie eine Frau des Gesetzes.« In seinen großen, knochigen Händen hielt er eine Schaufel, und nun stützte er sich darauf.
    Jace öffnete den Mund, um ihm zu antworten, brachte aber nur ein Nicken zustande. Der Mann hatte etwas Seltsames an sich. Für gewöhnlich konnte sie ihr Gegenüber innerhalb von fünf Sekunden einschätzen, aber die Gestalt vor ihr entzog sich jeder einfachen Definition.
    Der Mann schob die Krempe seines schwarzen Hutes nach hinten, fuhr mit einem schmuddeligen Taschentuch über die knochige Stirn und schob den Hut zurück, während er mit dem Kopf auf den Grabstein hinter ihr deutete. »Sie haben ihn also gekannt?«
    Jace fand ihre Stimme wieder. »Sir, dieser Mann ist seit fast über einem Jahrhundert tot.«
    Der Totengräber zuckte mit den Schultern, als spielte das keine Rolle.
    Jace runzelte die Stirn. Sie hatte den Totengräber noch nie zuvor in der Stadt gesehen. Wann war er in Castle City eingetroffen? Andererseits war auch Dale lieber für sich geblieben. Bestattungsunternehmer waren ein einsamer Haufen – vielleicht zogen sie auch einfach nur die Gesellschaft der Toten vor.
    Jace hielt ihm den Kasten hin. »Sir, ich habe hier eine Last, die ich weitergeben möchte.«
    Der Totengräber packte seine Schaufel fester und lachte. Es war ein tiefer, schrecklicher Laut. »Nun, das haben Sie aber schön gesagt, Deputy.«
    »Bitte?«
    »Nein, nein, keine Entschuldigungen.« Staub wehte von den Schultern seines Anzugs; er blickte zum Horizont. »Wir alle haben unsere Lasten, die wir loswerden müssen.« Sein dunkler Blick wandte sich ihr zu. »Nicht wahr, Deputy?«
    Jace biß sich auf die Lippe, unsicher, was sie darauf antworten sollte. Sie mochte diesen Mann nicht. Seinen Worten lag keine Ordnung zugrunde, keine Vernunft. Sie hielt ihm den Kasten mit der Asche hin. Er legte die Schaufel auf den Boden und nahm ihn mit seinen langen Fingern entgegen. In seiner Miene erschien Traurigkeit.
    »Er ist weit gereist«, flüsterte er. »Die Ruhe ist nun willkommen. Aber selbst ein willkommenes Ende ist nicht ohne Bedauern.«
    Jace wollte weg. Schweiß rann ihren Körper herunter. Aber sie mußte sich vergewissern, daß sie alles Nötige getan hatte. »Sie wissen, was zu tun ist, haben also alles im Griff?«
    Der Totengräber sah von dem Kasten auf, als wäre er überrascht, daß sie noch immer dort stand, dann nickte er langsam. »Keine Angst. Ich werde ab jetzt über ihn wachen, meine Tochter.«
    Jace versteifte sich. Worte klangen in ihrer Erinnerung auf, und der Friedhof um sie herum verblaßte.
    Gott wird ab jetzt über ihn wachen, Jacine.
    Warum hat er nicht schon zuvor über ihn gewacht, Reverend Henley? Warum hat er ihn nicht beschützt?
    So geht das nun einmal nicht, Jacine. Manchmal geschehen böse Dinge, sogar denen, die gute Menschen sind.
    Das ist nicht fair. Es macht keinen Sinn.
    Seine Wege machen für uns nicht immer Sinn.
    Aber es ist nicht richtig.
    Jacine, du kannst Seinen Willen nicht in Frage …
    Ein Scheppern übertönte die Worte. Das Weiß verschwand, wurde von hellem Braun und hartem Blau ersetzt: Erde und Himmel. Der Friedhof nahm wieder Konturen an.
    Jace blickte sich um, doch der Mann war verschwunden. Aber wie war das möglich? Sie war nur für einen Augenblick abgelenkt gewesen. Sie blickte zu Boden und sah die Quelle des Lärms, der sie zurück in die Gegenwart gerissen hatte: Die Schaufel war zu Boden gefallen. Neben ihr befand sich ein Rechteck aus frisch umgegrabener Erde, die von Unkraut befreit war. Das eisenreiche Erdreich war so rot wie Blut. Daneben stand ein kleiner granitener Grabstein, auf dessen Oberfläche ein einziges Wort stand, dessen Bedeutung sich ihr verschloß.
    MINDROTH
    Aber das war unmöglich. Die Sonne hatte sich nicht am Himmel bewegt; es war nur ein Augenblick vergangen. Und doch hatte sie nicht den geringsten Zweifel, daß, sollte sie die Schaufel nehmen und zu graben anfangen, sie den schwarzen Kasten mit der Asche fände. In ihr stieg Übelkeit auf, genau wie bei dem Traum mit dem brodelnden Meer.
    Sie warf noch einen Blick auf das frische Grab, dann eilte sie zu dem Wagen zurück. Trotz der Hitze zitterte sie am ganzen Leib.

7
    Alles hatte sich wieder verändert.
    Diesmal war kein Glockenspiel ertönt, aber es hatte einen Mann in Schwarz gegeben, genau wie beim letzten Mal, und wieder würde nichts in Travis’ Leben jemals so sein wie

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