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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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anhand dessen man ihn hätte identifizieren können, nicht mal Zähne. Nur ein paar verbrannte Knochensplitter und ein Aschehaufen. Jace hatte die ihr von Travis Wilder gegebene Beschreibung in der Datenbank der vermißten Personen überprüft – vergeblich. Sie würde sich auch weiterhin bemühen, aber sie bezweifelte, eine Antwort zu finden.
    Wie er sich in Brand gesteckt hatte, war ein weiteres Rätsel. Das Feuer war so heiß gewesen, daß eine Einäscherung unnötig gewesen war. Trotzdem hatte der Mann den Saloon nicht mit in Brand gesteckt. Der einzige Schaden war ein schwarzer Fleck auf dem Boden und Qualmgestank. Und Max Byfields Hand.
    Max hatte behauptet, den Mann berührt zu haben, bevor das Feuer anfing, aber Jace war fest davon überzeugt, daß das so nicht stimmte. Max kannte sich mit Zahlen aus, wie sie funktionierten, aber wie die Welt funktionierte, davon hatte er manchmal keine Ahnung. Das war durchaus in Ordnung – denn das war Jaces Job. Und sie wußte, daß Menschen nicht so einfach Feuer fingen und sich grundlos ihre Hände verbrannten. Vermutlich hatte sich der Mann mit einer brennenden Chemikalie getränkt und sich selbst entzündet, und zwar da, wo es eine große Menschenmenge sehen würde.
    Aber warum? Jace wußte es nicht. Sie wußte nur eines: Es war unmöglich, das Herz eines anderen jemals genau zu kennen.
    Er mußte doch wissen, daß sie ihn finden würde, Maude. Ich weiß, daß es schrecklich ist, so etwas zu sagen, aber ich bin deine Schwester, und es ist die Wahrheit. Sie bringt immer ihr Fahrrad in die Garage, wenn sie aus der Schule kommt. Sie läßt es niemals draußen stehen. Jacine ist so ein gutes Mädchen. Er mußte es wissen. Das arme kleine Ding …
    Eine Bö schleuderte eine Wolke von der Sonne verbrannten Staubs in die Luft. Jace schob sich eine widerspenstige Locke ihres kurzen braunen Haars hinter das Ohr und ließ die Blicke über den Friedhof schweifen. Wo war der Bestatter? Dale Stocker, der Castle Heights die letzten zwanzig Jahre betreut hatte, war diesen Frühling gestorben. Aber man hatte doch einen Nachfolger gefunden, oder nicht?
    »Hallo?«
    Der Wind riß ihre Stimme mit sich. Jace stieß das Eisentor auf. In der Friedhofsmitte gab es eine Anhöhe. Vielleicht hielt er sich gerade auf der anderen Seite auf, wo er den Wagen nicht hatte hören können.
    Deputy Windom suchte sich einen Weg vorbei an vergessenen Gräbern. Viele der Grabsteine waren zu stark vom Wind glattgeschliffen worden, um gelesen werden zu können. Aber gelegentlich konnte sie die Inschriften doch noch erkennen; die Schatten des Morgens verliehen den flachen, eingemeißelten Buchstaben Konturen. Sie ging an den Gräbern gescheiterter Goldsucher vorbei, an Müttern aus der Zeit der Depression und jungen Männern, die man in einer Holzkiste aus der Normandie zurückgeschickt hatte. Dann erblickte sie ein Grab, das sie verharren ließ. Sie ging in die Hocke und schob ein paar Ranken beiseite, um die auf dem zersprungenen Sandstein eingeschlagenen Worte zu enthüllen:
    Nathaniel Luke Farquhar
1853 – 1882
Ein guter Mann. Ein guter Vater.
›Gott wird Dir vergeben.‹
    Jace musterte die Inschrift mit gerunzelter Stirn, ihren Auftrag momentan vergessend. Was spielte es für eine Rolle, ob Gott ihm vergab? Was war mit den Menschen, die er zurückgelassen hatte? Hatten sie ihm vergeben? Wenn er wirklich ein so guter Mann, ein so guter Vater gewesen war, wieso war er dann im Alter von neunundzwanzig ums Leben gekommen? Ein guter Mann wäre vorsichtig gewesen, wäre geblieben, um seine Kinder aufwachsen zu sehen. Hätte sich nicht hier begraben lassen. Jace wollte sich wieder aufrichten, zögerte, streckte dann die Hand aus, um den von der Sonne gewärmten Sandstein zu berühren.
    »Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?« sagte eine krächzende Stimme hinter ihr.
    Jace zog die Hand zurück, richtete sich auf und drehte sich um, und zwar in einer geschmeidigen Bewegung. Es kostete sie eine bewußte Anstrengung, nicht nach dem Revolver an ihrer Hüfte zu greifen.
    Der Mann, der da vor ihr stand, war groß – viel größer als die Polizistin, die im Alter von zwölf Jahren ihre Größe von ein Meter sechzig erreicht hatte. Trotz der Hitze war er mit einem schäbigen Anzug aus schwarzer Wolle bekleidet, der aussah, als wäre er aus einem Grab gestohlen worden. Sein Hemd hatte die gelbliche Farbe von Elfenbein angenommen, genau wie seine Zähne.
    »Nun«, sagte der Totengräber mit zugleich gewandter und

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