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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Summen der Insekten. Die Luft war wie goldener Wein: Sie nahm einen tiefen Zug, schmeckte kühles Wasser und von der Sonne gewärmtes Gras, dann atmete sie wieder leise aus. Sie war sich nicht sicher, was es war, aber an diesem Augenblick war etwas Besonderes – vielleicht war es Frieden oder eine Macht –, das sie veranlaßte, ihn noch eine Weile länger auskosten zu wollen.
    »Der Abend bricht herein, Mylady«, sagte eine grollende Stimme neben ihr. »Ich schätze, bald durchstreifen Raubtiere das Land – die auf vier und auch auf zwei Beinen.«
    Grace hielt die Augen geschlossen. »Pst, Durge.«
    Ein leises Grunzen ertönte, aber das war auch schon die einzige Erwiderung.
    Sie blieb still sitzen, lauschte und fühlte. Aber der Augenblick und seine Magie waren vorbei. Die Sonne tauchte hinter eine Baumreihe, und die Luft kühlte sich ab von Gold zu Grüngrau, während die Insekten ihr unmelodisches Lied abbrachen. Grace seufzte und schaute auf. Durge war auf den Beinen und spähte mit seinen tiefliegenden braunen Augen in die Ferne.
    »Irgendein Zeichen von ihnen?« fragte sie.
    »Nein«, sagte der Ritter. »Ich fürchte, sie könnten in ein …«
    In ein was gefallen sein? Ein Loch? Einen Abgrund? Eine eher unwahrscheinliche, aber immerhin praktische Grube voller giftiger Nattern? Grace sollte nicht herausfinden, was Durge befürchtete, denn in genau diesem Augenblick erschienen auf einer ein Stück entfernten niedrigen Anhöhe drei Gestalten. Eine davon – die breiteste, aber nicht die größte, was bedeutete, daß es sich um Garf handeln mußte – winkte ihnen zu. Also war der Tag wirklich zu Ende. Grace verspürte ein Gefühl von Trauer, das so plötzlich kam und so seltsam war, daß sie beinahe aufgestöhnt hätte. Aber das war albern; Durge verstand sich auch ohne ihre Hilfe bestens darauf, Dinge zu finden, über die er sich sorgen konnte. Sie stand auf, während die anderen die Anhöhe hinunterschritten.
    Als sie näher kamen, sah Grace, daß der Korb, den Garf über die Schulter geschlungen trug, mit grünen und purpurfarbenen Bündeln gefüllt war. Also hatte Lirith recht behalten. Der Schäferknoten stand also doch schon in Blüte. Ein gutes Zeichen für ihre magischen Kräutertränke. Garf grinste und hob den Korb in die Höhe, um damit anzugeben. Sie lachte und winkte. Durge hinter ihr murmelte etwas Unverständliches.
    Sie wandte sich dem dunkelhaarigen Ritter zu. Es war interessant gewesen, wie sich Durges Reaktion auf ihre Studien von der Garfs unterschied. Obwohl der treue Embarraner ihre Handlungen niemals in Frage gestellt hätte – oder Aryns oder Liriths, was das anging –, ging aus seinem Benehmen eindeutig hervor, daß er nicht genau verstand, was Grace da in ihrer Freizeit trieb, und es auch nicht guthieß. Wenn die Zeit für ihren Unterricht kam, verschwand er meistens. Bereitete denn allen Männern der Gedanke an Hexen Unbehagen?
    Aber Durges Reaktion ähnelt nicht im mindesten der von Boreas, nicht wahr, Grace? Du hast doch gesehen, wie der König allein schon bei der Erwähnung des Wortes Hexe reagiert. Da braucht er eine Tollwutimpfung, und zwar die ganze Serie.
    Grace wußte, daß Boreas’ Reaktion eher instinktiv als wirklich wütend war. Soweit sie es verstanden hatte, war die Beziehung zwischen den Hexen und dem Kult von Vathris so wie die zwischen Katzen und Hunden, nur eben nicht ganz so freundlich. Doch Durge war kein Anhänger der Mysterien des Kriegerkults – oder gar eines anderen Kults. Sein Verstand hing eher der Logik als einer Religion an und wurde von seinen nächtlichen Studien auf dem Gebiet der Chemie in Beschlag genommen. Grace nahm an, daß er die Hexen einfach für albern hielt, da sich ihre Kunst in der Herstellung von Liebestränken und sinnloser Zauberreime erschöpfte und keine echte Wissenschaft war.
    Natürlich war Grace selbst Wissenschaftlerin, aber sie bezweifelte, daß Durge das verstanden hätte. Auf dieser Welt war Medizin Frauenarbeit, und damit bestenfalls einen halben Schritt vom Wirken der Kräuterfrauen und Hexen entfernt.
    Und dann war da Garf. Der junge Ritter schien Graces und Aryns Studien mit amüsierter Neugier zu betrachten. Wie es meiner Lady beliebt, wie Garf gern zu sagen pflegte, wenn sie eine Bitte aussprach, ob sie nun groß oder klein war. Sie ging davon aus, daß, hätte sie Garf den Auftrag gegeben, einen Korb bestimmter Kräuter zu sammeln, damit sie um die Schloßtürme fliegen konnte, er nur gegrinst und nach der

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