Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm
Ende für den lebhaften alten König. Aber die Nachricht beunruhigte sie. Sie packte die Armlehnen, und in ihrem Kopf drehten sich die Rädchen. Es war gut, etwas anderes zu haben, über das sie nachdenken mußte, etwas Unpersönlicheres.
Die weißen Tage des Winters schienen ein Leben lang her zu sein, seit sie beim Rat der Könige als Boreas’ Spionin gedient hatte, seit ihr Freund Travis Wilder, der ebenfalls von der Erde stammte, ihr dabei geholfen hatte, die mörderischen Pläne des Rabenkults zu vereiteln. Seit Travis das Runentor mit seiner Magie gebunden und den Fahlen König daran gehindert hatte, die Domänen in immerwährendes Eis zu hüllen.
Nach der Entscheidung am Wintersonnenwendtag, sich miteinander zu verbünden, arbeiteten die Herrscher der Domänen einen ganzen Monat lang am Ratstisch an neuen Bündnissen für den Fall, daß der Fahle König – oder eine andere Bedrohung – jemals wieder die Domänen angreifen sollte. Calavan, Toloria, Galt, Brelegond, Perridon und Embarr: sie alle schworen, jeder Domäne zur Seite zu stehen, die von einer anderen Macht angegriffen wurde, sowie als Vermittler zu handeln, sollten zwei Domänen in Streit geraten.
Das waren gute Schritte, aber die größte Tat des Rates war die Gründung des Ordens von Malachor.
Merkwürdigerweise war es Grace, die den Rat auf die Idee brachte. Aber ihr – die zumindest bis vor kurzem eine Bürgerin der Vereinigten Staaten gewesen war – war die Vorstellung einer multinationalen Streitmacht, die gegen eine globale Bedrohung kämpfte, völlig natürlich erschienen. Erst als sie in den Mienen der Monarchen das verblüffte Leuchten der Erkenntnis erblickte, erkannte sie, wie revolutionär diese Idee für eine feudale Gesellschaft sein mußte.
Natürlich gab es einige Debatten. Sollte jede Domäne dieselbe Zahl an Rittern beisteuern oder richtete es sich nach ihrer Größe? Wie sollte der Orden finanziert werden? Von wem würden die Ritter ihre Befehle erhalten? Aber am Ende war die Entscheidung einstimmig.
»Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen«, sagte König Sorrin, der hagere Herrscher von Embarr.
Die größte Herausforderung des Rates war allem Anschein nach die Namensgebung des Ordens, aber glücklicherweise kam ihnen Falken Schwarzhand zu Hilfe. Nachdem sich die Herrscher eine Stunde miteinander gestritten hatten, trat der Barde an den Tisch. Er sagte kein Wort, sondern zeigte nur mit der schwarz behandschuhten Hand auf einen leeren Sitz: der Sitz Malachor.
Die Monarchen verstummten, dann nickte einer nach dem anderen. Obwohl es vermutlich nur ein Mythos war, hieß es, daß, sollte es je wieder einen König von Malachor geben, er der Herrscher über alle Domänen sein würde. Ihren neuen Orden nach dem verlorenen Königreich zu benennen war nur passend.
Ein paar Tage später trat der Rat auseinander, und in den letzten kalten Tagen des Durdaths verließen die Herrscher Calavere, um zurück in ihre Domänen zu reiten. Obwohl er über die kleinste Domäne herrschte, war es König Kylar von Galt, der dem Orden von Malachor eine bescheidene Burg in dem südlichen Marschland seines Hoheitsgebiets zur Verfügung stellte. Die Entscheidung, wer den Orden führen sollte, war jedoch nicht so leicht gefallen wie die Frage nach seiner Basis.
Zuerst hatte der Rat die Führung Beltan angeboten, König Boreas’ Neffen und Graces Freund. Der blonde Ritter war jeden Tag kräftiger geworden und hatte sich von der schrecklichen Verletzung erholt, die er in der Wintersonnenwendnacht am Runentor davongetragen hatte, als er Travis vor den Feydrimhorden beschützte. Graces Herz machte einen Freudensprung, als sie die Entscheidung hörte – und wurde ihr wieder schwer, als Beltan die Ehre ablehnte.
»Ich werde dem Orden demütig dienen«, sagte Beltan vor dem Rat. Er stand gerade aufgerichtet da, aber Grace sah, daß ihn die Wunde in der Seite noch immer schmerzte. »Aber so einer wie ich ist nicht der Richtige, um ihn zu führen.«
Boreas war sichtlich wütend, nickte aber nur, und der Rat ernannte statt dessen Sir Vedarr zum Führer des Ordens von Malachor. Vedarr war ein ergrauender, aber noch immer kräftiger Embarraner, dessen Gesicht noch zerfurchter als Durges’ war. Er war ein kompetenter Ritter, und Grace wußte, daß er gute Arbeit leisten würde. Doch sein Name entzündete in den Augen anderer Männer kein Leuchten, nicht so wie der Name Beltan von Calavan. Sie wünschte, ihr Freund könnte die Wirkung sehen,
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