Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm
reiten nach Fuchslaut und hoffen, daß Lord Gaddimer genug Platz für uns alle hat. Zweifellos wird König Boreas Lady Aryn und Lady Lirith einen seiner Ritter nachschicken, wenn er ihre Abwesenheit entdeckt hat. Sie können in Gaddimers Herrenhaus auf sie warten.«
»Aber er wird nicht kommen«, sagte Aryn. Ihre Augen leuchteten. »Wenn Boreas unsere Abwesenheit entdeckt, werden wir einen Vorsprung von vielen Tagen haben, und nicht einmal das schnellste Schlachtroß des Königs wird uns einholen können.«
Die Ritter starrten Aryn an, und sie lächelte selbstgefällig. Lirith warf der Baronesse einen entsetzten Blick zu und Graces Magen zog sich voller unheilvoller Ahnungen zusammen. Endlich begriff sie. Lirith hatte Aryn allein deshalb begleitet, um auf sie aufzupassen, in dem Glauben, daß Boreas’ Männer sie einholten, bevor sie sich zu weit vom Schloß entfernt hatten. Aber die Baronesse hätte etwas getan – einen Zauber gewirkt –, um ihre Abwesenheit zu verbergen. Aber was? Liriths Miene nach zu urteilen, wußte sie es auch nicht.
Durge verlagerte das Gewicht auf dem Sattel. »Wenn Boreas keinen Mann ausgesandt hat, dann wird einer von uns morgen mit den Ladys nach Calavere zurückkehren müssen.«
Kalleth spuckte auf den Boden. »Und wer von uns wird das sein, Sir Durge?«
Der Embarraner murmelte etwas Unhörbares. Grace mußte die Worte nicht verstehen, um zu wissen, was er meinte. Sein Plan würde nicht funktionieren. Jeder der Ritter hatte den Befehl erhalten, nach Perridon zu reiten. Keiner würde freiwillig umkehren.
Es war Meridar, der die Lösung vorschlug. »Dann sollen die Ladys uns eben begleiten. Solange wir uns innerhalb der königlichen Grenzen befinden, werden wir kaum auf Gefahren stoßen. Wir sollten sie nicht in einem primitiven Dorf zurücklassen, sondern nach Ar-Tolor bringen, wo sie bei Liriths Königin bleiben können, bis es Boreas für angebracht hält, sie zurückzurufen.«
Es war ein guter Plan. Grace wußte, daß Durge ihm zustimmen mußte, und war darum überrascht, als er sie fragend ansah. Natürlich. Der Ritter konnte diese Entscheidung nicht treffen. Du bist die Herzogin, Grace.
Sie schluckte das verrückte Gelächter herunter, das in ihr aufstieg. »Wir tun, was Sir Meridar gesagt hat.«
Durge nickte. Meridar schien erleichtert, und Kalleth machte zwar keinen begeisterten Eindruck, aber er widersprach nicht. Aryn lachte, und Grace suchte wieder Liriths Blick. Die Hexe nickte. Sie würden später über die Baronesse reden.
»Die Nacht bricht herein«, sagte Durge. »Wir sollten schnell sehen, daß wir nach Fuchslauf kommen.«
Der Embarraner übernahm die Führung, die Frauen schlossen sich ihm an, Meridar und Kalleth bildeten den Abschluß. Grace blickte verstohlen zu den neben ihr reitenden Frauen hinüber. Trotz ihrer Unbesonnenheit war sie froh über ihre Gesellschaft. Durge war ein kühner und treuer Gefährte, aber er war ein Mann. Es würde gut sein, auf der Reise andere Frauen dabeizuhaben. Andere Hexen.
Aber wie hatte Aryn es geschafft, daß ihre Abreise von niemandem bemerkt worden war?
Grace trieb Shandis näher an die Stute der Baronesse heran. »Was hast du getan, Aryn?« flüsterte sie.
Die junge Frau zuckte mit den Schultern. »Nur das, was du gesagt hast, Grace.«
»Was soll das heißen, was ich gesagt habe?«
»Wenn du über Macht verfügst, dann benutze sie auch.«
Bevor Grace darauf etwas erwidern konnte, lächelte Aryn und trieb ihr Pferd zu einem Trab an.
31
Die Reisegruppe durchquerte die Domäne Calavan in östlicher Richtung und entfernte sich dabei niemals mehr als eine halbe Meile vom Südufer des Dimduorn.
Während sie durch das sanft gewellte Land ritten, kam Grace aus dem Staunen nicht mehr heraus. In der Zeit, die sie auf dieser Welt verbracht hatte, hatte sie sich nur selten außerhalb der Schloßmauern gewagt, und dann auch nur für kurze Ausflüge in die nähere Umgebung von Calavere. Da sie dabei immer von Massen dreckiger, übelriechender Menschen umgeben war, war sie zu der Überzeugung gelangt, daß es sich bei Falengarth um ein bevölkerungsreiches Land handelte, in dem es nur so von ähnlichen Burgen und Dörfern wimmelte. Sie hatte sich geirrt. Soweit sie von ihrem Aussichtspunkt auf Shandis’ Rücken aus beurteilen konnte, war diese Welt so gut wie unbewohnt.
Am Anfang war das nicht so auffällig gewesen. Am ersten Tag waren sie mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit auf Dörfer gestoßen – eins alle zwei
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