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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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seltsamen Langsamkeit zu geschehen. Die Gestalt wandte sich bereits ab, ein schwarzer Umhang wallte in der dichten Luft auf, aber Lirith entdeckte ein goldenes Funkeln im Schatten der Kapuze des Umhangs. Er hatte sie beobachtet, wie schon zuvor.
    Nein, das war so nicht ganz richtig. Während der Reise nach Süden hatte Lirith mehrmals in den Dörfern und Städten, die sie passiert hatten, ein Zupfen am Netz der Weltenkraft verspürt, und sie hatte sich immer gerade noch rechtzeitig umdrehen können, um zu sehen, wie ein Stück schwarzen Stoffs um eine Ecke oder in einem Hauseingang verschwand. Es war nie viel gewesen – nie genug, um völlig sicher zu sein, aber Lirith hatte das Gefühl, dass man sie auf ihrer Reise beobachtete.
    Diese Zwischenfälle hatten sie beunruhigt und neugierig gemacht, aber keiner hatte in ihr diese kalte Furcht ausgelöst, die sie jetzt verspürte. Die Planken des Docks schienen unter ihr in Bewegung zu geraten, so als stünde sie noch immer auf dem Deck des Schiffs. Sie hatte auch nie zuvor das Funkeln von Gold gesehen.
    »Lirith?«
    Die Menge vor ihr wurde dichter, dann zog sie sich wieder auseinander, und die Gestalt in Schwarz war verschwunden.
    »Lirith, alles in Ordnung?« Das war Falken, der sie besorgt musterte.
    »Es ist nichts«, erwiderte sie. »Mir war nur einen Augenblick lang schwindelig, das ist alles. Es ist vorbei.«
    Falken nickte, dann kehrte er zu Melia zurück.
    Das war nicht alles, Lirith.
    Sie schaute auf, als die Stimme in ihrem Bewusstsein ertönte. Aryns hellblaue Augen waren auf sie gerichtet.
    Du hast etwas gesehen, nicht wahr? Genau eben. Was war es?
    Es war sinnlos, etwas anderes als die Wahrheit zu sagen; die Weltenkraft übermittelte keine Lügen. Ich weiß es nicht, Aryn. Vielleicht habe ich etwas gesehen. Ich kann mir da nicht sicher sein. Aber es ist nicht …
    Bevor Lirith mehr sagen konnte, ergriff Melia das Wort. Es war offensichtlich, dass sich die Lady wieder wohl fühlte; ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten so hell wie die goldenen Kuppeln der Stadt. Andererseits war sie gerade heimgekehrt.
    »Kommt schon, steht da nicht so rum«, sagte sie. »Wir müssen zum Zweiten Kreis gehen. Ich will sofort mit Orsith sprechen.«
    Es blieb keine Zeit, um zu fragen, wer Orsith war und warum sie mit ihm sprechen sollten. Melia ging einfach los und bahnte sich geschickt einen Weg durch die Menschenmenge, und die anderen mussten sich beeilen, um mit ihr mitzuhalten.

36
    Aryn staunte, als sie durch die äußeren Kreise von Tarras emporstiegen, und sie verrenkte sich den Hals bei dem Versuch, alles auf einmal zu sehen. Vor nicht einmal einem Jahr hatte die Vorstellung, die Mauern eines Schlosses zu verlassen, sie mit nicht geringer Angst erfüllt. Aber seitdem hatte sie gelernt, dass es da draußen eine ganze Welt gab, von deren Existenz sie keine Vorstellung gehabt hatte, und obwohl es manchmal Furcht erregend war, war es zugleich auch wunderbar.
    Sie hatte jeden Augenblick ihrer Reise nach Süden genossen, und das nicht nur wegen der neuen Länder, die es zu entdecken galt. Denn sie war auf eine andere Weise auf Entdeckungsreise gegangen. Während ihres Ritts durch Toloria hatte sie die Zeit dazu genutzt, die Weltenkraft zu ergreifen und mit ihren Fäden zu weben. Sie hatte sich oft mit Lirith über die Gabe unterhalten, aber sie scheute sich nicht, auf eigene Faust zu experimentieren. Schließlich hatte sie ja auch ohne Hilfe gelernt, durch die Weltenkraft zu sprechen. Und Lirith schien von ihren schnellen Fortschritten beeindruckt zu sein.
    Es ist, als hättest du plötzlich den Schlüssel zu deinem Talent gefunden, Schwester, hatte Lirith durch die Weltenkraft gesagt, als sie eines Abends am Feuer gesessen und eine Unterrichtsstunde daraus gemacht hatten, jedes lebendige Ding im Umkreis von zwanzig Schritten aufzuspüren und zu identifizieren.
    Aber eigentlich war es eher so gewesen, dass der Schlüssel die ganze Zeit über da gewesen war, und zwar in ihrer verkümmerten rechten Hand, nur dass sie es sich nie gestattet hatte, die Finger zu öffnen, um ihn zu entdecken.
    Wenn eine große Gabe verliehen wurde, verlangt das Gleichgewicht immer etwas als Gegenleistung, hatte die alte Mournisch zu ihr gesagt.
    Belira und die anderen hatten sie wegen des Arms verspottet, aber sie waren nur dumme Mädchen, die nicht wussten, dass eine Hexe zu sein so viel mehr bedeutete, als an der Oberfläche ersichtlich war. Aryn hatte keine Angst mehr vor ihnen. Sie war auch

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