Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
Füßen. Doch wenn Aryn die harten Gesichter betrachtete, hatte sie keinen Zweifel, dass es sich um geschickte Kämpfer handelte. Obwohl Tarras seine Größe längst verloren hatte, hatte es anscheinend doch nicht vergessen, wie man Krieg führte.
Aryn war erleichtert, als sie durch ein weiteres Tor den Zweiten Kreis betraten.
»Weiter gehen wir heute nicht«, sagte Falken. »Es sei denn, außer Melia ist noch einer von euch zufällig ein enger persönlicher Freund des Kaisers und hat das einfach vergessen zu erwähnen. Nur seine Gäste, seine Diener und die Angehörigen seines Hofes dürfen den Ersten Kreis betreten.«
»Um Kaiser Ephesian kümmern wir uns später«, sagte Melia. »Im Augenblick ist das genau der Ort, zu dem wir müssen. Der Heilige Kreis von Tarras.«
Aryn blickte sich um und entdeckte in allen Richtungen aus weißen Steinen errichtete Schreine und Tempel mit Kuppeldächern. Auf den stillen Straßen waren Männer und Frauen in fließenden Roben in allen Farben des Spektrums unterwegs, und Aryn war sofort klar, dass es sich hier um die Priester und Priesterinnen der Tempel handelte.
Einige trugen Scharlachrot und hatten die Schädel rasiert. Andere hatten ihr Haar gelockt und trugen goldene Schärpen über smaragdgrünen Roben. Gelb, Azurblau, Hellorange – alle Farben waren vertreten. Falls die Priester und Priesterinnen von Tarras eine so unterschiedliche Gruppe darstellten, konnte Aryn nur Spekulationen anstellen, wie wohl die Götter selbst aussahen. Sie wusste, dass es in Tarras mehr Mysterienkulte gab als die sieben, die in den Domänen bekannt waren, aber dass es so viele waren, hätte sie nicht gedacht.
Durge räusperte sich nervös. »Melia, darf ich fragen, wie viele Götter es in dieser Stadt genau gibt?«
»Keine Sorge, Durge«, sagte Falken und zwinkerte. »Der Zweite Kreis beherbergt auch die Universität von Tarras, wo angeblich die größten Gelehrten, Mathematiker und Ingenieure der Welt versammelt sind.«
Durge runzelte überrascht die Stirn. »Ich glaube, diese Universität, wie Ihr sie nennt, würde ich mir gern ansehen.«
»Oh, das werdet Ihr«, sagte Falken und zwinkerte erneut. »Aber zuerst …«
»Meine Brüder, meine Schwestern«, sagte eine leise Stimme. »Soll das hier wirklich unser Zuhause sein? Es ist viel schöner, als ich es mir je hätte vorstellen können.«
Melia schwankte, die Arme um den Leib geschlungen, ein seliges Lächeln auf den Lippen.
Aryn sah, dass Falken und Lirith einen Blick wechselten. Es war wie bei dem Zwischenfall, von dem Lirith erzählt hatte, als sie Melia im Schrein von Mandu beim Tanzen überrascht hatte. Auf der Reise war Melia in keinen derartigen Trancezustand verfallen, obwohl es seltsame Augenblicke gegeben hatte. Sie schien viel von der Vergangenheit zu sprechen, und ihr Ausdruck wurde verträumt, wenn sie es tat. Doch Aryn hatte immer angenommen, dass das daran lag, dass sie in Melias Heimat reisten. Und jetzt hatte es den Anschein, als wäre sie nicht einmal anwesend.
Nein, das ist es nicht. Es ist, als wären wir diejenigen, die nicht da sind, als würde Melia Tarras so sehen, wie es vor langer Zeit war, als sie diesen Ort zum ersten Mal betrat. Falken berührte sanft Melias Schulter. »Liebes«, flüsterte er.
Einen Herzschlag lang versteifte sich Melia, dann drehte sie sich um und schaute die anderen finster an. »Steht nicht einfach da rum und glotzt. Wir gehen hier entlang.«
Und Melia ging los und betrat eine mit weißen Steinen gepflasterte Seitenstraße. Den Gefährten blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
Während sie hinter ihr hergingen, fiel Aryn eine Kuppel auf, die alle anderen im Zweiten Kreis überragte und sogar mit der Kuppel des Kaiserpalastes wetteiferte, der sich über ihnen im Ersten Kreis erhob. Diese Kuppel bestand nicht aus Gold wie so viele andere, sondern war blau gestrichen, sodass sie mit dem Himmel zu verschmelzen schien. Aryn fragte sich, welcher Gott mit diesem Tempel geehrt wurde, der so viel prächtiger als all die anderen war. Doch sie gingen nicht auf diese Kuppel zu.
Sie blieben vor einem Tempel stehen, der zwar schön, aber auch viel kleiner und schlichter als alle in seiner Umgebung war. Seine Säulen und Mauersimse waren schmucklos, er hatte auch keine Fenster. Eine schmale Tür bot den einzigen Zugang.
Melia sah die anderen an, und ihr Blick war jetzt ganz klar. »Bevor ihr hier eintretet, solltet ihr euren Verstand von allen kleinlichen Gedanken und Wünschen
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