Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
Vom Netzwerk:
entflohen, als sie aus Gulthas’ Haus entkommen war. Vielleicht hatten Durge und die Königin Recht; vielleicht bestand die Magie der Mournisch doch nur aus Tricks und Illusionen, die ihr Gift versprühen sollten.
    Und was ist mir ihm, Schwester? Ist das auch ein Trick – so wie er sich in deine Gedanken stiehlt?
    Ohne es zu wollen, konzentrierte sie sich und webte die Fäden der Weltenkraft zu einer schimmernden Gestalt: ein Mann mit schwarzem Haar, tiefen, geheimnisvollen Augen und einem Bein. Es wäre so leicht gewesen, die Stränge zu verlängern, sie zu einem neuen Bein zu formen, sodass er in dieser Vision perfekt sein würde. Aber sie tat es nicht.
    Als sie nach ihrer Audienz bei Königin Ivalaine spät am Abend im Bett gelegen hatte, hatte sie eine ähnliche Gestalt heraufbeschworen, allerdings hatte er in dieser Version keine Weste und auch keine blauen Pluderhosen getragen. Es war eigentlich albern, eher von einer jungen Hexe zu erwarten, die gerade lernte, die Weltenkraft zu formen, als von einer erwachsenen Lady, die ihr siebenundzwanzigstes Jahr hinter sich gebracht hatte. Trotzdem hatte Lirith das Trugbild ganz nahe an sich herangeholt und sich selbst berührt, während sie sich vorstellte, wie er in sie eindrang.
    Eigentlich hätte sie sich denken können, dass es sich anfühlen würde, als fasste man statt warmem Fleisch kalten Ton an.
    Sie seufzte und ließ das Trugbild sich auflösen. Es war sinnlos, an ihn oder sein tiefes, melodisches Lachen zu denken. In ein paar Tagen würde Sareth mit seinem Volk Ar-Tolor wieder verlassen, um in der Welt umherzuziehen. Das war sein Schicksal. Und in einem hatte die Alte Recht gehabt – nichts und niemand konnte in einem so lange brachliegenden, unfruchtbaren Land neues Leben erzeugen. Das war ihr Schicksal.
    Es war Zeit zum Aufstehen. Lirith konnte fühlen, wie draußen die Sonne durch den Nebel brach und das Land mit neuem Leben erfüllte, wenn nicht vielleicht sogar alles, das auf ihm lebte. Sie fing an, die Weltenkraft loszulassen.
    Das war der Augenblick, in dem sie es sah. Das Trugbild Sareths hatte sie geblendet, aber jetzt, wo ihre Sicht durch nichts gestört wurde, war es unmissverständlich. Es brodelte am Rand ihrer Sicht wie ein Bündel grauer Schlangen, ein Knäuel in den Fäden der Weltenkraft.
    Warmes Behagen verwandelte sich in kaltes Entsetzen. Wenn Lirith die Gabe dazu benutzt hatte, die Fäden der Weltenkraft zu betrachten, hatte sie sie stets zu einem Netz verwoben, das so fehlerlos wie das einer Spinne war. Jetzt wurde vor ihren Augen ein weiterer Strang in den dicken Knoten gezogen, und sein Licht verblasste zur Farbe von Asche. Wie konnte das sein? Wie konnte es im geordneten Netz des Lebens ein wirres Knäuel geben? Sie öffnete den Mund zu einem Schrei …
     … und ein hartes Klopfen durchschnitt die Luft.
    Lirith schloss den Mund. Die Weltenkraft verschwand und wurde durch die normale Sicht ersetzt. Kaltes Licht strömte durch das Fenster des Gemachs. Die Dämmerung war hereingebrochen.
    Der Laut ertönte erneut. Jemand klopfte an der Tür. Lirith warf die Decke zurück und stolperte aus dem Bett. Sie könnte später über das nachdenken, was sie gerade erlebt hatte – vielleicht konnte sie mit Ivalaine oder Tressa darüber sprechen –, aber nicht jetzt, wo sie sich so kalt und leer fühlte.
    Sie stolperte zur Tür und riss sie auf. Erst die weit aufgerissenen Augen des Soldaten machten ihr bewusst, dass sie noch immer ihr ziemlich durchsichtiges Nachthemd trug. Sie hatte nie viel für die Kunst der Illusion übrig gehabt, aber es gab Zeiten, da war sie nötig. Lirith hüllte sich in ein schnell gewobenes Netz ein. Der Wächter schüttelte den Kopf, dann entspannte sich seine Miene. Lirith wusste, dass er sie jetzt in einem hübschen braunen und blauen Gewand sah und der festen Überzeugung war, dass sie es schon die ganze Zeit getragen hatte. Es war einfach, die Leute das sehen zu lassen, was sie erwarteten.
    »Mylady«, sagte der Mann, »sie fragen nach Euch. Kommt Ihr bitte?«
    Lirith sackte gegen den Türpfosten, als hätte ihr jemand einen Schlag versetzt. Wieder erklangen in der Vergangenheit gesprochene Worte in ihrer Erinnerung.
    Sie fragen nach dir, Lisenne, verlangen nach dir. Sie wollen dich sehen, sie ziehen dich den anderen vor. Hör doch nur! Willst du nicht für sie tanzen?
    »Mylady?«
    »Wer fragt nach mir?«, krächzte sie mühsam.
    »Habt Ihr sie nicht durchs Tor reiten sehen? Lord Falken Schwarzhand und

Weitere Kostenlose Bücher