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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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»Natürlich, meine Liebe. Ihr wärt höchstens die Mutter. Ich dachte da an eine andere.«
    Natürlich – wie hatte sie nur so dumm sein können? Lirith nickte energisch. »Da stimme ich Euch zu, Schwester Tressa.«
    »Und, ist sie bereit? Ihr seid ihre Lehrerin, Schwester Lirith. Darum habe ich Euch kommen lassen.«
    Lirith dachte sorgfältig nach – das war keine Entscheidung, die man leichtfertig traf –, aber dann nickte sie erneut. »Sie muss noch viel lernen, und ihre Beherrschung der Gabe ist noch nicht so ausgeprägt wie ihre Begabung. Aber sie ist bereit dafür. Ihr könntet niemand Besseren wählen als Schwester Aryn.«
    Lirith konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als sie sah, was diese Worte anrichteten. Aryn starrte sie fassungslos an.
    »Aber, aber, mein Kind«, sagte Tressa und nahm ihre Hand. »Nur keine Aufregung, es ist eine ganz einfache Rolle, Ihr werdet schon sehen. Ihr werdet eine wunderbare Jungfrau abgeben. Ihr seid doch noch Jungfrau, oder?«
    Aryns Gesicht wurde feuerrot, während sie nach Worten suchte.
    »Schon gut, das ist Antwort genug«, sagte Tressa und tätschelte ihre glühende Wange.
    Lirith umarmte die junge Baronesse. »Sia sei mit Euch, Schwester. Ich freue mich ja so.«
    Aryn stieß ein leises Keuchen aus, während sie die Umarmung mit ihrem linken Arm erwiderte, aber sie schien unfähig, auch nur ein Wort zu sagen.
    »Also gut«, sagte Tressa. »Schwester Aryn, wir müssen los. Ihr habt noch viel zu lernen, bevor der Zirkel erneut zusammentritt.«
    »Viel Glück«, sagte Lirith und ließ die junge Frau los.
    Aryn drückte ihre Hand ein letztes Mal. »Danke«, sagte sie dann mit leuchtenden Augen. »Für alles.«
    Lirith nickte bloß, während Tressa die Baronesse aus dem Raum drängte. Die Tür schloss sich hinter ihnen, und Lirith seufzte, als sie wieder allein war.
    Und jetzt? Bis zum Abend gab es nur wenig für sie zu tun, erst dann würden die Hexen in kleineren Gruppen zusammenfinden. Erst in drei Tagen würde der Große Hexenzirkel seinen Höhepunkt haben, wenn die Hexen gemeinsam ihren zukünftigen Weg festlegen würden. In der Zwischenzeit würde man zusammenkommen und Rezepte für Kräutertränke, Zauber und Gerüchte austauschen.
    Lirith würde sich mit einer Gruppe ihres Alters treffen. Sie freute sich darauf, denn sie würden zu siebt sein, eine aus jeder der sieben Domänen. Aber womit konnte sie sich bis dahin beschäftigen? Ihr fiel nichts ein … es sei denn, sie würde noch einmal versuchen, die Gabe zu benutzen.
    Sie fing an, die Augen zu schließen.
    »Ich wusste doch, dass sie mich vergisst«, sagte eine mürrische Stimme.
    Lirith riss die Augen wieder auf. Also war sie doch nicht allein.
    Er hockte in einer Ecke, zur Hälfte in einem Kissenstapel versunken. Sein blutrotes Wams verschmolz mit den scharlachroten Bezügen. Langes schwarzes Haar verbarg zur Hälfte das blasse Oval seines Gesichts.
    »Lord Teravian!«, sagte Lirith.
    Der junge Mann setzte sich auf und schlug die Beine unter. »Ihr wolltet gerade einen Zauber weben, richtig? Eure Sorte webt ständig Zauber. Habe ich ihn zerstört?«
    Lirith holte tief Luft; sie fand ihre Fassung schnell wieder und machte einen Schritt auf ihn zu. »Es war nichts, Mylord. Ihr müsst Euch nicht entschuldigen.«
    Ein verächtlicher Zug umspielte seine Lippen. »Ich habe mich nicht entschuldigt. Ich finde es witzig, wenn Ihr Fehler macht. Das ist so, als würde man eine Spinne sehen, die sich in ihrem eigenen Netz verfängt.«
    Lirith zwang sich dazu, keine Miene zu verziehen. Aryn hatte Recht, Teravian war ein schwieriger Junge. Schwer vorstellbar, dass er mit dem aufbrausenden, aber gutherzigen König von Calavan verwandt war. Boreas war ein Bulle von Mann, sein Sohn erschien eher wie ein Schatten – schlank, dunkel und substanzlos. Dennoch war Teravian König Boreas’ Erbe und Königin Ivalaines Mündel. Lirith war klar, dass sie ihn mit Respekt behandeln musste.
    »Eigentlich sind wir uns noch nie richtig vorgestellt worden, Mylord«, sagte sie. »Ich bin die Gräfin …«
    »Ich weiß, wer Ihr seid, Lirith von Arafel«, erwiderte Teravian gelangweilt. Er schob sich das Haar über die dünne Schulter. »Ich kenne jeden in diesem scheußlichen Schloss. Es ist ja nicht so, als gäbe es hier etwas anderes zu tun.«
    Lirith seufzte. So viel zur höflichen Unterhaltung.
    Teravian stand auf und ging zum Fenster. Im Gegensatz zu vielen jungen Sechzehnjährigen war Boreas’ Sohn alles andere als ungelenk.

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