Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
das sie in der Weltenkraft erblickt hatte.
Dies war erst der zweite Große Hexenzirkel, an dem sie seit ihrer Aufnahme in die Hexenschaft teilnahm. Das erste Mal war sie vor sieben Jahren dabei gewesen, bei dem Zirkel, den man auf dem Schloss von Baron Darthus im südlichen Toloria abgehalten hatte – wo gemunkelt wurde, dass der alte Baron ganz genau gewusst hatte, dass seine junge Frau eine Hexe war, und dass er hoch erfreut darüber gewesen war, hatten die von ihr gebrauten Kräutertränke seinen Lenden doch neues Leben eingehaucht. Das war im Frühling von Liriths zwanzigstem Winter gewesen, nur Monate, nachdem sie aus der Freien Stadt Corantha geflohen und auf nackten blutigen Füßen nach Toloria gelaufen war – und nie mehr zurückgeschaut hatte.
Auf diesem Großen Hexenzirkel war sie mehr eine Maus als eine Novizin gewesen, klein, mit brauner Hautfarbe und weit aufgerissenen Augen, in die Ecke gedrängt, während sie zusah, wie die Frauen, die über größere Kräfte und Durchtriebenheit als sie verfügten, um sie herumschlichen. Aber sie war aufmerksam gewesen, und sie hatte gelernt.
Weniger als ein Jahr später fiel sie Lord Berend von Arafel auf, einem von Baron Darthus’ Grafen. Sechs Monate später wurden sie vermählt – trotz Liriths unbekannter Vergangenheit und den Protesten von Berends Schwester, die sich als Gräfin betrachtete und nichts für die Konkurrenz übrig hatte.
Als Berend nicht mal ein Jahr später starb, gingen – hauptsächlich von Berends Schwester in die Welt gesetzte – Gerüchte um, Schuld daran wäre ein von Lirith zusammengebrauter Trank gewesen. Nun entsprach es durchaus der Wahrheit, dass Lirith ein paar kleine Zauber benutzt hatte, um Berends Aufmerksamkeit zu erringen, aber seine Liebe war nicht durch Magie verursacht worden, und er war auch nicht durch Magie gestorben. Obwohl Lirith nicht behaupten konnte, Berends Liebe von ganzem Herzen erwidert zu haben, hatte sie für den Grafen Zuneigung verspürt und ihn nicht ein einziges Mal schlecht behandelt.
Nach Berends Tod hatte seine Schwester Königin Ivalaine um den Besitz des Grafen gebeten, aber die Königin hatte ihn verweigert und Lirith war Gräfin geblieben. Nachdem die Schwester ihrem Bruder im folgenden Winter ins Grab gefolgt war – diese Linie hatte immer unter schwachen Herzen gelitten –, schien sich niemand mehr daran zu erinnern, dass Lirith nicht in diese Stellung hineingeboren war. Sie hatte mehrere Jahre geherrscht, und ihre Untertanen hatten sie verehrt.
Als Königin Ivalaine sie vor zwei Jahren nach Ar-Tolor befohlen hatte, war sie willig gegangen. Sie hatte das Gut in die Obhut von Berends Neffen übergeben, und so hatte die Schwester des Grafen doch noch ihren Wunsch erfüllt bekommen – auch wenn sie nicht lange genug gelebt hatte, um ihn zu genießen, wie es oft jenen geschieht, die vom Verlangen aufgefressen werden.
Seit jener Zeit hatte Lirith nur selten an Graf Berend oder ihren Besitz im südlichen Toloria gedacht. Hier war ihr Platz. Auf Ar-Tolor, im Dienst der Hexenkönigin, beim Großen Hexenzirkel.
Und diesmal verbarg sich Lirith nicht in irgendwelchen Ecken. Stattdessen suchte sie die Hexen auf, die sie am meisten interessierten, um sich über Kräuterkunde oder die Kunst des Wahrsagens auszutauschen oder wie man die Weltenkraft berührte und sie zu neuen Mustern webte. Es war kein Zufall, dass viele, die sie besuchte, die ältesten der Hexen waren, die Greisinnen und Vetteln. Sie verfügten über das meiste Wissen und kannten die ältesten Geheimnisse. Dabei entging es Lirith allerdings nicht, dass, sie eingeschlossen, nur wenige der jungen Hexen die Alten besuchten.
»Aber ich will gar nicht wissen, was sie wissen«, sagte Nonna, eine Hexe aus der Domäne Brelegond, mit schriller Stimme zu Lirith. »Die sind alle so hässlich.«
Es war am ersten Abend nach Beginn des Großen Hexenzirkels, bei der Zusammenkunft des Zirkels, dem Lirith zugeteilt worden war und an dem sieben Hexen ihres Alters teilnahmen, eine aus jeder der sieben Domänen.
Lursa, eine Hexe aus Embarr mit ernster Miene, seufzte. »Ich fürchte, mir hat niemand gesagt, dass eine Voraussetzung für Wissen darin besteht, hübsch zu sein. Ich schätze, ich werde mir die Lippen anmalen und mir das Haar kämmen müssen, bevor ich den nächsten Zauber lernen kann.«
Lirith konnte nicht anders, sie musste lachen. Sie blinzelte Lursa zu, und die Hexe mit dem unscheinbaren Gesicht lächelte schüchtern als
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