Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
ich glaube auch abweisender. Und ich fürchte, ich weiß zu wenig über die Hexen und die Weltenkraft, um Euch sagen zu können, worum es sich bei diesem Knäuel handelt. Doch ich glaube schon, dass da irgendwie eine Verbindung besteht. Warum solltet Ihr sonst eine Veränderung in Eurem Netz sehen, wenn wir in unserem etwas Ähnliches wahrnehmen?«
Etwas von der Beklemmung in Liriths Brust ließ nach. Melias Worte waren nicht unbedingt eine Antwort, aber es war eine Erleichterung zu wissen, dass sie nicht die Einzige im Schloss war, die etwas Seltsames gefühlt hatte.
»Macht Euch keine Sorgen, Lady Lirith«, sagte Melia. »Ich werde Euch gern auf dem Laufenden halten, sobald ich etwas Neues erfahre.«
Lirith zuckte zusammen. Nicht weil die Lady mit den Bernsteinaugen anscheinend ihre Gedanken gelesen hatte, sondern weil ihr Tonfall so kalt war. Wieder bereute Lirith ihre Dummheit im Großen Saal.
Und bevor sie ihr Mut verließ, hob sie den Saum ihres Gewandes an und trat einen Schritt vor. »Ihr müsst mir verzeihen, Melia. Ich wollte Euch nicht so abweisend behandeln. Ich weiß, dass Ihr und Falken gute Dinge tut. Es ist nur …«
Melias Miene wurde sanfter. »Natürlich, meine Liebe. Und ich vergaß, wie schwer das für Euch im Moment sein muss. Ich bezweifle, dass man in Euren Kreisen die Namen Melia und Falken mit besonderer Herzlichkeit ausspricht.«
Lirith schüttelte energisch den Kopf. »Aber das tun sie nicht …«
Melia hob eine schlanke Hand. »Nein, meine Liebe, Erklärungen sind unnötig.«
Lirith verspürte eine Wärme in sich aufsteigen. Sie wusste, dass sie hätte widerstehen sollen, aber sie konnte sich nicht beherrschen, stürzte vorwärts und umarmte die kleine Frau. Doch Melia stieß sie nicht weg, sondern erwiderte die Geste mit der gleichen wilden Intensität.
»Wir Frauen voller Geheimnisse müssen zusammenhalten, meine Liebe.«
Schließlich lösten sich die beiden voneinander. Dabei legte Melia den Kopf schief. »Woher habt Ihr diesen Anhänger?«
Verblüfft schaute Lirith nach unten. Das Spinnenamulett tag auf dem Oberteil ihres Gewandes; es musste aus dem Ausschnitt gefallen sein, als sie nach vorn gestürmt war.
»Das ist nur ein Schmuckstück der Mournisch. Es hat keine Bedeutung.« Lirith fühlte, wie sich ihre Wangen röteten, denn dies war nicht die ganze Wahrheit. Es erinnerte sie an ihn, nicht wahr?
Melia klopfte sich mit dem Finger aufs Kinn. »Ich glaube, da seid Ihr im Irrtum, meine Liebe. Meiner Erfahrung nach stellen die Mournisch keine bedeutungslosen Schmuckstücke her. Egal, was auch immer sie erschaffen, wie einfach es auch ist, es hat stets einen Zweck und Macht. Und von allen Symbolen, die sie machen, gehört die Spinne zu den stärksten – und geheimnisvollsten.«
»Ihr klingt, als würdet Ihr sie kennen.«
»Ich weiß über sie Bescheid. In den vielen Jahren, die ich schon auf Eldh wandle, habe ich sie zahllose Male besucht. Und doch kann ich nicht mit gutem Gewissen sagen, dass ich die Mournisch richtig kenne. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob das überhaupt jemand außerhalb ihrer Klans kann. Und sie haben nie Außenseiter aufgenommen.«
Lirith drehte sich um, wandte sich der Tür des Schreins zu und umklammerte das Amulett. »Ist das so?«
»Was ist, meine Liebe? Stimmt etwas nicht?«
Lirith öffnete den Mund, und sie wusste, sie würde Melia alles erzählen: die Spielkarte, die Träume, Sareth. Doch im letzten Augenblick erschienen zwei Schatten in der Tür des Schreins.
»Melia, hier steckst du«, sagte Falken. Der Barde warf Durge, der neben ihm stand, einen Blick zu. »Ihr hattet Recht. Ich weiß nicht, warum ich nicht zuerst daran gedacht habe, in den Schreinen nachzusehen.«
Der Embarraner nickte. »Es schien die logische Wahl zu sein.«
Falken ging zu der Lady. »Alles in Ordnung mit dir? Du hast dich heute Morgen etwas seltsam benommen, und dann konnte ich dich nicht finden.«
»Es ist ritterlich von dir, dich um mich zu sorgen«, sagte Melia, »aber mir geht es wieder gut.«
Sie lächelte Lirith an, und die Hexe lächelte zurück.
Falken stöhnte. »Sagt mir nicht, dass sie Euch unterrichtet hat.«
»Unterrichtet?«, fragte Lirith in ihrem geheimnisvollsten Tonfall. »Worin?«
»Darin!«, erwiderte der Barde. »Eine schöne Frau, die in Rätseln spricht, reicht völlig aus. Wir brauchen keine zweite.«
»Komm, Falken«, sagte Melia und nahm den Barden beim Arm, »gehen wir zurück in unser Gemach. Dort kannst du deine Tiraden
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