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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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hatte er alles aufgegeben, was er je gewesen war, was ihn je ausgemacht hatte. Vielleicht war er nun ein Mann, der nichts mehr hatte, das er zu verlieren befürchtete. In einer solchen Freiheit lagen Frieden und eine Reinheit, aber auch eine schreckliche Trauer.
    Grace verspürte den Drang, seinen Arm zu berühren, etwas Tröstendes zu sagen, aber sie beherrschte sich, bis er vergangen war. Während der unglaublichen Erlebnisse des vergangenen Jahres hatte sie erfahren, dass sie noch immer etwas für andere empfinden konnte, dass das Herz, das man ihr scheinbar vor langer Zeit herausgeschnitten hatte, noch immer in ihr schlug. Aber es war noch immer ein zerbrechliches Organ, und sie glaubte nicht, dass es jemals wieder ganz genesen würde.
    »Und, hast du vergangene Nacht nach Beltan gesehen?«, fragte sie und entschied sich für einen forschen Ton statt für einen mitleidsvollen.
    Er stopfte sich den Rest seines Donuts in den Mund. »Ich konnte nicht in sein Zimmer. Auf der vierten Etage ist etwas passiert, bevor ich raufkonnte, aber ich weiß nicht, was es war. An den Türen waren Sicherheitsbeamte postiert, und sie ließen keinen durch.«
    Ein saurer Geschmack stieg in Graces Hals auf. Der Kaffee war billiges Zeug. Sie hätte auch einen von Starbucks ausgeben können; sie hatten noch ein paar Goldmünzen, die sie in East Colfax verkaufen konnten, um zu Geld zu kommen. Sie zwang den Geschmack zurück. Das war eine seltsame Neuigkeit, aber es war albern, gleich anzunehmen, dass sie etwas mit ihr und Travis zu tun hatte. Nicht alles in Denver drehte sich um sie. Als sie sich gestern Morgen ins Denver Memorial gewagt hatte, war Beltan noch immer nicht aus dem Koma erwacht gewesen. Nichts hatte sich verändert. Travis konnte am Abend nach ihm sehen.
    »Komm schon«, sagte Travis und hielt einen Donut in die Höhe. Sein Grinsen war wieder da, seine silbernen Ohrringe funkelten. »Du wirst deine Kräfte brauchen, wenn du mit den Suchern reden willst. Alles, was sie sagen, ist ein im Kreuzworträtsel der New York Times verstecktes Rätsel, das man in Altgriechisch übersetzt hat. Also iss.«
    Er warf den Donut in die Luft. Sie fing ihn geschickt auf und nahm einen großen, entsetzlich süßen Bissen.
    Fünfzehn Minuten später gingen sie die West Colfax Avenue entlang, die Berge und eine kühle Herbstbrise im Rücken. Vor ihnen erhob sich eine Gruppe Wolkenkratzer aus Glas und Stahl, die seltsam fremdartig aussahen. Hätten sie nicht aus grauem Stein erbaut sein müssen, hätten die zinnenversehenen Wehrgänge nicht mit hellen Bannern geschmückt sein müssen? Aber Calavere war eine Welt weit weg. Das hier war eine andere Art von Schloss.
    Sie hätten die Buslinie Nr. 16 zum Civic Center Park nehmen können. Sie sollten Hadrian Farr und Deirdre Falling Hawk im Denver Art Museum treffen, das sich an der Südseite des Parks befand. Aber sie hatten noch über eine Stunde Zeit. Es war ein schöner Tag, und bis zum Museum waren es nur ein paar Meilen, also hatten sie sich entschieden, zu Fuß zu gehen.
    Vielleicht lag es auch nur daran, dass sich keiner von ihnen wieder an Autos und Busse gewöhnt hatte. Die harten, funkelnden Fahrzeuge brausten an ihnen vorbei die Colfax entlang, und das mit einer unerhörten Geschwindigkeit von mindestens fünfunddreißig Meilen in der Stunde, wie Grace schätzte. Sie genoss das solide Gefühl des Bürgersteigs unter ihren Stiefeln aus eldhischem Leder.
    Grace vermochte nicht zu sagen, wann ihr der Streifenwagen aufgefallen war. Er hatte sich langsam in ihr Bewusstsein geschlichen, wie ein wachsender Schatten, bis sie plötzlich den Kopf drehte. Der Streifenwagen fuhr keine zehn Meter hinter ihnen. Sie riss den Kopf wieder herum, packte den Becher fester.
    »Weiß oder schwarz?«, sagte Travis durch die zusammen gebissenen Zähne.
    Er brauchte nicht mehr zu sagen. Weiß bedeutete Polizei. Besorgnis erregend, aber nicht unmittelbar gefährlich. Grace wurde in dieser Stadt noch immer wegen Angriffs auf einen Polizeibeamten gesucht, aber nicht jeder Streifenwagen hielt nach ihr Ausschau. Schwarz – nun, das bedeutete sie. Und dem nach zu urteilen, was Travis ihr erzählt hatte, würde sie lieber eine lange Unterhaltung mit der Polizei haben, statt mit einem der freundlichen Repräsentanten von Duratek zu plaudern.
    »Weiß«, sagte sie.
    Sie gingen weiter. Grace nahm einen blauen Schemen wahr, als der Streifenwagen vorbeifuhr, aber sie sah nicht in seine Richtung. Sie atmete erleichtert auf,

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