Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
Hand.
»Sie ist zerstört.«
Grace zog die Hand zurück, drückte sie an die Brust und nickte. Vielleicht wusste Marji ja doch, wovon sie da sprach.
»Aber das muss nicht so bleiben, Süße«, sagte Marji mit leiser und heiserer Stimme. »Die Linien auf unseren Händen lügen nicht, aber sie können sich genauso wie wir auch verändern.«
Grace lächelte bitter. Andererseits, hieß es nicht immer, man könnte das Schicksal nicht austricksen?
»Was ist mit Travis?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln. Es war ja nicht so, als hätten Marjis Worte irgendetwas enthüllt, das ihr nicht schon vorher bekannt gewesen wäre. »Was verraten seine Hände?«
Marji ergriff eine von Travis’ Händen. Ihre Augen weiteten sich, und sie machte einen gurrenden Laut. »Süßer, ich habe noch nie eine so zarte Hand gefühlt. Die ist ja wie die eines Babys. Du musst mir verraten, wie du das gemacht hast.«
Travis lachte leise. »Das ist ein Geheimnis.«
Grace nickte; der Meinung war sie auch.
Marji legte den Kopf schief, sah ihn an, dann drehte sie seine Hand um. Und schaute entsetzt auf. »Aber du hast ja gar keine Linien auf der Hand. Nicht eine einzige. So etwas habe ich ja noch nie gesehen.«
Travis zog die Hand zurück. »Ein Feuer.«
Marji stützte das Kinn mit der kleinen Faust, aber etwas in ihrem Gesichtsausdruck sah nicht überzeugt aus.
Grace räusperte sich. »Ich glaube … ich glaube, wir sollten jetzt gehen. Wir wollen dich nicht in Schwierigkeiten bringen, wenn die Polizei reinkommt und uns hier sucht.«
Das ließ Marji lachen; sie winkte ab. »Bitte, Süße. Ich weiß, wie ich mit der Polizei umgehen muss. Ich bezaubere die Jungs, und mit den Mädchen freunde ich mich an.« Sie breitete die Arme aus, dann umarmte sie sich. »Marji zu kennen heißt sie zu lieben, nicht wahr?«
Grace konnte nur zustimmend lachen.
Marji winkte mit einem langen Finger. »Kommt mit, ihr beiden. Folgt Marji. Ihr könnt die Hintertür nehmen, um sicherzugehen, dass euch keiner sieht.«
Sie teilte einen Perlenvorhang, und sie folgten ihr. Dahinter lag ein Raum, der noch dichter voll gepackt war als das Ladenlokal. Sich durchbiegende Regalbretter waren mit Bündeln aus Salbei, Kerzenständern aus Messing, polierten Hämatiten, lackierten Kästchen, Räucherstäbchen und Hunderten mit verschiedenen Arten von Kräutern gefüllten Gläsern voll gestopft. Grace wäre gern stehen geblieben, um einige der Kräuter zu studieren, sie zu riechen und zu schmecken und mit der Weltenkraft zu testen, um zu sehen, wie sie sich im Vergleich zu den Pflanzen verhielten, mit denen sie auf Eldh gearbeitet hatte. Doch Travis zog sie am Arm und hinter sich her.
Sie kamen zu einer Tür. Marji öffnete sie einen Spalt, schaute hindurch und öffnete sie weiter. Sie führte auf eine Gasse, die mit leeren Kisten und zerbrochenen Paletten voll gestellt war.
»Nun, ich weiß, dass ihr wichtige Dinge zu tun habt«, sagte Marji. »Nein – Erklärungen sind unnötig. Ich kann es an euren Augen ablesen. Aber wenn ihr könnt, dann besucht Marji noch einmal. Du bist eine ganz besondere Lady, Königin. Das sind zwei wirklich hexenhaft grüne Augen, die du da hast.«
Sie drückte Grace die Hand. Grace erwiderte den Druck.
»Und du.« Marji strich über Travis’ Kopf. »Für einen kahlen Weißen Typen bist du ganz ansehnlich.«
Travis konnte bloß grinsen.
»Pass auf dich auf, Süßer. Ihr beide.«
Grace und Travis nickten. Manchmal reichten Worte einfach nicht aus. Dann traten sie in die Gasse. Die Tür schloss sich hinter ihnen.
Travis seufzte. »Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, vor Leuten wegzulaufen, die uns für ihre eigenen Zwecke benutzen wollen, dass ich manchmal vergesse, dass es auch Menschen gibt, die uns ohne Gegenleistung helfen wollen.« Er schob die Hände in die Hosentaschen. »Wir schulden ihr was.«
»Du meinst ihm.«
Travis runzelte die Stirn, und Grace musste lachen. Vielleicht bekam dieser neue Travis ja trotz allem nicht alles mit.
»Marji ist ein Mann, Travis. Nun, zumindest genetisch gesehen. Doch in all den Dingen, auf die es ankommt, ist sie wohl eine Frau. Mal davon abgesehen, dass keine mir bekannte Frau dieses Ensemble so tragen könnte.«
Travis starrte in den Wind. Grace fragte sich, was er wohl dachte. Bevor sie ihn fragen konnte, zuckte er mit den Schultern und lächelte.
»Nun, welchen Sinn macht es, am Leben zu sein, wenn man nicht wählen kann, was man sein will?«
Es war gut, das von ihm zu hören. Aber
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