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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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tiefen Komas näherte sich der Patient wieder dem Wachzustand. Es blieb abzuwarten, ob er den Schleier zerreißen würde; manchmal kamen solche Geschädigte nur ganz kurz wieder zu sich, nur um dann noch tiefer im Koma zu versinken und nie wieder zurückzukehren. Doch Chandras neueste Studie konzentrierte sich auf eine kombinierte Medikamententherapie, die den Heilungsprozess unterstützen sollte. Bestimmt war dieser Mann ein guter Kandidat für die Forschung. Chandra würde gleich morgen mit der Krankenhausverwaltung sprechen.
    Er beugte sich über das Bettgitter. »Bald, mein Freund, wirst du uns deinen Namen sagen können.«
    Der Mann regte sich nicht. Wieder einmal fragte sich der Arzt, wer er wohl war. Er war ein großer Mann, bestimmt dreißig Zentimeter größer als Chandra, und sehr stark, bevor seine Muskeln atrophiert waren. Offensichtlich hatte er ein hartes Leben geführt. Die Krankenschwester, die seine Krankengeschichte aufgenommen hatte, hatte an seinem Körper über ein Dutzend auffälliger Narben dokumentiert. Und da war die Wunde, die ihn fast das Leben gekostet hatte, ein Riss in seiner Seite, der in die Tiefen seines Körpers geführt hatte. Die Verletzung war nun verheilt, seine Adern waren wieder mit Blut gefüllt. Nun musste man abwarten und sehen, ob sein Gehirn dem Körper das Trauma verzeihen würde.
    »Du bist ein Kämpfer, mein Freund, nicht wahr?«, murmelte Chandra.
    Es waren nicht nur die Narben. Selbst in der Bewusstlosigkeit hatte er etwas Wildes an sich; den scharf geschnittenen Zügen haftete etwas Wütendes an, und das lange Haar, das aus seiner Stirn fiel, kündete von Freiheit. Er schien ein gefallener Krieger zu sein, der in seiner Totenbarke lag, während die Wellen ihn vom Ufer forttrugen. Nur dass er nicht tot war. Noch nicht.
    »Und du wirst auch nicht sterben. Wenn du ein Kämpfer bist, mein Freund, dann kämpfe. Ab morgen werde ich dir in deiner Schlacht helfen.«
    Die Uhr an der Wand zeigte die verstreichenden Sekunden an. Chandra seufzte. Zeit, das Mangoeis zu kaufen, Devis süße, klebrige Lippen zu küssen, nachdem sie es direkt aus der Packung gegessen hatte, und Mahesh auf den Arm zu nehmen.
    Er bemerkte es erst, als er sich vom Bett abwandte; es hing über dem Infusionsständer. Zuerst hielt er es für ein Stück Gaze. Erst als seine Finger das Material durchstießen, begriff er. Er zog die Hand zurück und starrte die feine Substanz an. Es handelte sich um ein dicht gewobenes, funkelndes Spinnennetz. Er fing an nachzudenken, aber bevor er zu einem Schluss kam, ertönte ein leises Plop, als etwas Kleines von der Decke fiel und auf seinem Arm landete.
    Das Ding hatte etwa die Größe einer Vierteldollar-Münze, und seine Oberfläche schien aus stumpf schimmerndem Gold zu bestehen. Genau in seiner Mitte funkelte ein blutroter Diamant. Plötzlich, noch während Chandra es betrachtete, schoben sich acht schlanke, goldene Beine aus dem Ding, und es krabbelte seinen Arm hinunter. Es bewegte sich mit einer hirnlosen Präzision, die irgendwie eher mechanisch als organisch zu sein schien, und kletterte über die Stoffhügel und -täler seines weißen Laborkittels.
    Fasziniert schaute er zu. Zwei winzige Augen funkelten wie Rubine. Dann kroch die goldene Spinne vom Kittelärmel auf seinen Handrücken. Er konnte deutlich sehen, wie goldene Beißzangen ausfuhren, wie sie mühelos die Haut durchstachen und nach fließendem Blut suchten.
    Der Schmerz kam augenblicklich und war quälend; es brannte wie Feuer. Mit einem Aufschrei riss Chandra die Hand herum. Es blitzte golden auf, vom polierten Boden ertönte ein krabbelndes Geräusch. Chandra drehte sich um und bewegte sich in Richtung Tür, aber seine Muskeln versteiften sich bereits zu kaltem Ton, während das Gift durch seinen Körper kreiste und von dem durch Furcht und dem sie begleitenden Adrenalinstoß beschleunigten Herzschlag immer schneller transportiert wurde.
    Er versuchte nach Hilfe zu rufen, aber seine Stimmbänder waren bereits gelähmt, und er brachte nur ein heiseres Krächzen zu Stande. Also handelte es sich um ein Neurotoxin, wie das der Grubenottern, die die Außenbezirke des Dorfes in Indien, in dem er seine Kindheit verbracht hatte, heimgesucht hatten. Er war einmal Zeuge gewesen, wie keine sechs Meter von ihm entfernt ein Spielkamerad von einer Schlange gebissen worden war, und der Junge war tot gewesen, als Chandra zu ihm gelaufen war.
    Der Boden raste ihm entgegen, und er schlug mit der linken Wange auf,

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