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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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sich zu einem schrillen Jaulen. Grace öffnete den Mund, aber kein Ton kam heraus. Das Summen war der einzige Laut, der das Waisenhaus erfüllte. Das Licht floss die Stufen hinunter und sammelte sich um ihre Knöchel; es fühlte sich kühl auf der Haut an.
    Du musst die Treppe raufgehen. Du hast es schon einmal getan, als du dreizehn warst. Du kannst es wieder schaffen.
    Grace ergriff das Geländer, setzte den Fuß auf die erste Stufe – und die Welt verwandelte sich in ein Feuer.
    Aber nein, so war das nicht passiert. Die Flammen waren jetzt noch nicht gekommen, erst viel später. Erst, nachdem sie es gesehen hatte. Sie musste die Treppe hinaufgehen. Ihr blieb keine andere Wahl.
    Aber um sie herum toste jetzt das Feuer. Grace krümmte sich auf den Stufen zu einer kleinen Kugel zusammen und weinte, aber es waren nicht die Tränen einer Dreizehnjährigen, sondern einer erwachsenen Frau. Dann wuchs der Schatten um sie herum und löschte das Feuer.

2
    Travis schob die schweren Vorhänge zurück und ließ das helle Oktoberlicht in den Raum strömen. Er ging zum Bett zurück und setzte sich auf den Rand.
    »Grace«, murmelte er.
    Ein leises Stöhnen entschlüpfte ihren Lippen, ihr Kopf drehte sich auf dem Kissen, aber ihre Augen waren geschlossen. Sie träumte.
    Nein, das ist kein Traum, Travis. Das ist mehr. Sie ist wieder zurück, erlebt es erneut. Der Schatten der Vergangenheit.
    Er legte die rechte Hand auf ihre Stirn und spürte ein Kribbeln. »Grace, es ist Zeit zum Aufwachen. Du bist in der Innenstadt von Denver, in einem Zimmer im Brown Palace. Ja, ich weiß, dass es verglichen mit dem Blue Sky Motel etwas übertrieben ist, aber nur keine Sorge. Geht alles auf Rechnung der Sucher.«
    Ihre Mundwinkel zogen sich nach oben. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, zerknitterten die Decke.
    Nach dem Angriff auf das Motel vergangene Nacht hatte Vani sie hierher gefahren. Weder er noch Grace hatten gewusst, wo die Sucher wohnten, aber irgendwie musste Vani es herausgefunden haben. Sie hatte sie zu einem Zimmer in der zweiten Etage geführt, geklopft. Aber als sich dann die Tür geöffnet und Deirdre sie überrascht angeblickt hatte, war außer ihm und Grace niemand mehr im Korridor gewesen.
    Sie hatten Deirdre und Farr so gut wie möglich erklärt, was geschehen war, dann hatten sie den Bericht in den Zehn-Uhr-Nachrichten von Channel 4 gesehen. Travis war nur kurz überrascht gewesen, als Bilder von ihm und Grace über den Bildschirm flimmerten.
    Die Polizei sucht nach diesen beiden Personen, die mutmaßlich in die Gewalttaten im Blue Sky Motel verwickelt sind, hatte der roboterhafte Nachrichtenmoderator gesagt. Sie gelten als gefährlich, also nähern Sie sich ihnen nicht, falls Sie sie sehen. Verständigen Sie stattdessen sofort die Polizei.
    Offensichtlich waren ihre guten Freunde bei Duratek sehr fleißig gewesen. Travis war erstaunt gewesen, dass sie bei all der Zeit, die sie damit verbrachten, sein und Graces Leben zu manipulieren, überhaupt noch die Energie hatten, einen multinationalen Konzern zu leiten. Andererseits hatten sie ja wohl in dieser Angelegenheit Hilfe gehabt. Er hatte wieder an die Gestalt mit der goldenen Maske denken müssen, hinter der sich Vani zufolge der Meister der Gorleths verbarg. Irgendwie hatte es der Mann mit einer einfachen Geste geschafft, Travis’ Herz am Schlagen zu hindern. Hätte er nicht sein Stilett gehabt, das vor langer Zeit von den Runenmeistern verzaubert worden war, wäre er jetzt tot.
    Danke, Jack, hatte er gedacht.
    Nach den Nachrichten hatte Grace nicht aufhören können zu gähnen und war ohne sich vorher auszuziehen ins Bett gekrochen. Aber für Travis hatte es keinen Schlaf gegeben. Er war bis spät in die Nacht aufgeblieben, hatte im Wohnzimmer der Suite gesessen und sich mit Deirdre und Farr unterhalten und ihnen jede Einzelheit des Angriffs berichtet, an die er sich hatte erinnern können. Schließlich war Farr in sein Zimmer gegangen, um die Sucher zu benachrichtigen. Deirdre hatte ihm eine Tasse Kräutertee gekocht, aber da mussten noch ein paar andere Zutaten drin gewesen sein, denn als seine Erinnerung wieder einsetzte, lag er auf dem Sofa, während das rote Licht der Morgendämmerung zwischen die hohen Gebäude der Innenstadt kroch und scheinbar die Zimmerfenster in Flammen tauchte.
    Graces Lider waren noch immer geschlossen, aber er konnte darunter schnelle Bewegungen wahrnehmen. Er beugte sich vor und küsste ihre feuchte Braue.
    »Ich liebe dich,

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