Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt
hatte.
»Vani«, stieß er hervor. »Sie sind zurückgekommen.«
Sie lächelte; ein Ausdruck, so scharf wie eine Messerklinge, aber nicht ganz ohne Heiterkeit. »Das ist so nicht richtig, Wilder. Ich war nie weg. Ich habe dieses Hotel im Auge behalten. Es ist sicher – im Moment jedenfalls.« Sie legte den Kopf schief; ihr kurz geschnittenes, zerzaustes Haar funkelte in der Morgensonne. »Ist das Kaffee?«
»Lassen Sie mich machen«, sagte Deirdre, die offensichtlich viel zu verblüfft war, um etwas anderes zu sagen. Sie füllte eine Tasse.
»Danke, Sucherin.« Vani nahm die angebotene Tasse.
»Es ist kein Maddok, wissen Sie«, sagte Grace und verzog das Gesicht.
Vani atmete den aus der Tasse aufsteigenden Dampf ein. »Das ist schon in Ordnung, Grace Beckett. Es war … eine lange Nacht.«
Vani setzte sich auf das Sofa, und zum ersten Mal fielen Travis die Schatten unter den goldenen Augen auf. Sie trug noch immer die schwarzen Lederhosen mit den dazugehörigen Stiefeln, aber die Jacke war verschwunden, so dass nur noch das schwarze Top übrig war. Als sie die Tasse hob, sah er die Tätowierungen, die sich ihre Arme hinaufschlängelten. Weitere Symbole umrahmten ihren Hals. Er wusste nicht, worum es sich bei ihnen handelte, aber es waren keine Runen.
»Sie kennen uns also«, sagte Farr. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Ehrfurcht ab, andererseits hatte Farr eine Karriere daraus gemacht, nach einem Beweis für die Existenz anderer Welten zu suchen. Jetzt saß eine auf einem anderen Planeten geborene Frau in seinem Hotelzimmer und trank Kaffee.
»Sie gehören zu den Suchern«, sagte Vani.
Farr nickte. »Und warum sind Sie auf die Erde gekommen? Können Sie uns das verraten?«
Vani stellte die Tasse ab. »Haben Ihnen Travis Wilder und Grace Beckett das nicht schon bereits gesagt? Ich bin gekommen, um sie zurück nach Eldh zu bringen.«
Deirdre öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Farr brachte sie mit einer kleinen Handbewegung zum Schweigen. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, aber Travis glaubte zu verstehen. War das nicht eine ihre Regeln? Zu beobachten, nur zuzusehen, was jene mit außerweltlichen Verbindungen aus ihrem eigenen freien Willen taten?
Grace setzte sich auf, die Wangen vom Koffein gerötet.
»Wie sind Sie hergekommen, Vani? Wie sind Sie zur Erde gekommen? Ich muss … wir müssen das wissen.«
Vani schien über diese Worte nachzudenken. Schließlich nickte sie. »Lassen Sie mich meine Geschichte folgendermaßen beginnen. Vor langer Zeit lebten meine Vorfahren im tiefen Süden Eldhs, in den heißen Ländern von Moringarth, in der Stadt Morindu die Finstere. Von allen Städten Amúns, die das Ufer des großen Flusses Emyr säumten, war nur Kor älter. Und obwohl Kor der größte der Stadtstaaten war, bot niemand so vielen Zauberern eine Heimat wie Morindu die Finstere.«
»Zauberer«, sagte Travis. »Haben Sie nicht letzte Nacht den Mann mit der goldenen Maske als Zauberer bezeichnet?«
»Ja«, sagte Vani und kniff die Augen zusammen.
»Was also sind Zauberer? Das Gleiche wie Runenmeister?«
»Nein, Zauberer haben nichts zu tun mit den Magiern des Nordens. Zumindest nicht, soweit mir bekannt ist. Obwohl mein Volk noch viel weiß, ist seit unserer Vertreibung aus Morindu und den Ländern Amúns viel Wissen verloren gegangen. Ganz einfach gesagt, Zauberer sind diejenigen, die die Morndari herbeilocken und ihnen befehlen können.«
»Morndari?«, wiederholte Deirdre.
Offensichtlich hatte sie Farrs Anweisung vergessen, als sie zur Sesselkante vorrutschte.
Vani nickte. »In der alten Sprache meines Volkes bedeutet das Die Durstigen. Die Morndari sind schon immer durstig gewesen, seit die ersten Menschen Amúns sie entdeckten. Sie sind …« Sie schaute zur Decke, als würde sie nach Worten suchen, dann senkte sie den Kopf wieder. »In Ihrer Sprache würde man sie wohl als Geister bezeichnen. Obwohl es sich nicht um die Geister von Toten handelt. Sie sind uralt – so alt wie die Welt. Vielleicht sogar noch älter. Auf ihre Weise sind sie sich selbst bewusst, aber sie haben keine Körper, keine Form, und sie sind nicht richtig lebendig. Aber sie verfügen über Macht. Und wie die ersten Zauberer herausfanden, können sie mit Blut angelockt werden. Und so fanden sie ihren Namen.«
»Blut«, sagte Grace. Sie erschauderte. »Sprechen Sie von Tierblut?«
Vani schüttelte den Kopf. »Wenn ein Zauberer sie kontrollieren wollte, musste er sein eigenes Blut anbieten. Sobald sie
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