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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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sagte Durge in seinem grollenden Tonfall.
    Das war eine echte Untertreibung. Travis öffnete den Mund, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Die unnatürliche Kälte ihres Durchgangs hielt ihn noch gepackt. Dampfend löste sich der Frost auf, der sich auf ihren Kleidern festgesetzt hatte und im grellen Licht der Sonne verging – eine Sonne, die irgendwie weißer und kleiner als die Sonne erschien, die über Tarras geleuchtet hatte.
    Lirith schüttelte den Kopf; ihr schwarzes Haar glitzerte feucht. »Sareth, was ist das für ein Ort?«
    Der Mournisch trat einen Schritt vor, und sein Holzbein wirbelte noch mehr Staub auf. »Ich weiß es nicht, Beshala. Nichts daran ist vertraut.«
    Mir schon, wollte Travis sagen. Er kannte diesen Ort. Aber wieso? Er erinnerte sich, das Tor betreten zu haben, und an die eisstarrende graue Leere des Nichts …
    Das Nichts. Aber da hätte kein Nichts sein dürfen, nicht, wenn sie in Tarras von einem Ort zum anderen sprangen. Die graue Leere existierte nur zwischen den Welten …
    Endlich zersplitterte das Eis, das seinen Verstand eingefroren hatte, und er wusste Bescheid. Sie waren nicht in Tarras. Sie waren nicht einmal auf Eldh. Das hier war die Erde.
    Nicht einfach nur die Erde.
    Ja, da war McKay’s General Store, und das Opernhaus, das Prospektorenbüro und der Mine Shaft Saloon …
    Der Mine Shaft? Aber der Saloon konnte unmöglich da sein. Er hatte mit eigenen Augen mit angesehen, wie er niedergebrannt war. Und doch stand er da. Was bedeutete, dass das nur ein Ort sein konnte.
    »Es ist Castle City«, murmelte er.
    Die anderen warfen ihm scharfe Blicke zu.
    »Ihr meint, Euer Heimatdorf?«, sagte Durge. Der Ritter riss die Augen auf. »Das ist Eure Welt?«
    »Ja, das schon. Aber …« Er machte einen stolpernden Schritt nach vorn.
    Aber etwas stimmte nicht.
    »Was ist mit uns passiert, Sareth?«, wollte Lirith wissen. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm und sah ihn flehend an.
    Der Mournisch hielt das schwarze Artefakt hoch. »Ich weiß es nicht. Das Tor hat sich seltsam benommen. Ich schätze, etwas von der Dämonenmagie muss noch nachgewirkt und die Macht des Artefakts verzerrt haben.«
    »Aber wir haben noch einen Tropfen Skarabäusblut«, sagte Durge. »Können wir es nicht dazu benutzen, um zurückzukehren?«
    Travis hörte sie kaum. Seine Gedanken rasten. Was ging hier nur vor? Die Ladenfassaden. Die Elk Street, der Castle Peak, der in der Ferne in die Höhe ragte – das alles sah vertraut aus. Aber es sah auch falsch aus. Er machte noch einen Schritt nach vorn.
    Beinahe hätte er ihn übersehen. Ein dunkler Umriss kam um die Ecke gebogen und donnerte die Elk Street entlang. Eine Peitsche knallte, Pferde wieherten.
    »Travis!«
    Durges starke Hände packten ihn an den Schultern und rissen ihn noch gerade rechtzeitig zurück, um zu verhindern, dass er überfahren wurde. Travis blinzelte und sah die Postkutsche die Elk Street in Richtung Silber Palace Hotel herunterrattern.
    »Das ist aber ein seltsamer Wagen«, meinte Lirith. »Ist das auf Eurer Welt ein übliches Transportmittel, Travis?«
    Üblich? Nicht in den letzten hundert Jahren.
    »Das kann nicht sein«, flüsterte Travis. »Das ist unmöglich.«
    Aber hatte der Dämon nicht den Fluss der Zeit verzerrt? War das nicht Teil seiner Macht gewesen?
    Ein Windstoß umfing sie in seiner staubigen Umarmung, und ein Stück Papier traf Travis mitten ins Gesicht. Er schlug danach und zog es weg, dann starrte er auf die großen schwarzen Worte, die auf dem oberen Teil gedruckt standen:
    THE CASTLE CITY CLARION
    Er wollte nicht hinsehen. Trotzdem zwang er sich dazu, das klein Gedruckte unter dem Impressum zu lesen; er zwang die Buchstaben dazu, ihren Tanz einzustellen. Trotz der Übelkeit, die in ihm aufstieg, wusste Travis, dass er die Zahlen richtig gelesen hatte:
    ABENDAUSGABE   – 13. JUNI 1887
    »Travis, was ist denn?«, fragte Lirith atemlos.
    Nicht einmal das Tor konnte ihnen helfen. Nicht, wenn sie hundert Jahre vor ihren Freunden in Tarras eintreffen wollten. Er schaute von der Zeitung auf und begegnete nacheinander den Blicken der Hexe, des Ritters und des Mannes aus dem Volk der Mournisch.
    »Ich glaube, wir haben uns verirrt«, sagte Travis.
     

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