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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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und atmete tief den feuchten Duft der Morgendämmerung ein. Weißgoldenes Licht stahl sich durch den Kreis aus Ithayas, und die großen Bäume wogten im Wind, der vom Meer wehte. Möwen kreisten in der Luft, ihre Rufe klangen wie leise Geisterstimmen.
    Als sie vergangene Nacht in den Wagen gestolpert war, um zu schlafen, war sie zu müde gewesen, um ihn sich genau anzusehen. Jetzt erkannte sie, dass er wie eine Kröte geformt war. Sie war dankbar, dass es keine Spinne war.
    Sie stieg von den Stufen des Wagens, und ihre nackten Füße versanken im taufeuchten Gras. Ein sauberer Duft stieg davon auf. Sie ging an den Bäumen vorbei, bis sie sie in der Tiefe sah: die weißen Türme und goldenen Kuppeln von Tarras. Sie funkelten hell und perfekt im Licht der Morgendämmerung.
    Nein, nicht perfekt. Mehrere schmale, dunkle Striche stiegen aus der Stadt in die Höhe. Tarras brannte. Nur an ein paar Stellen, aber für Lirith hatte das nur eine Bedeutung: Die Dunkelheit und Verwirrung, die sie in der Stadt gesehen hatten, wuchs weiter. Wie viele Leute hatten ihre Kochherde, ihre Geschäfte und ihre geliebten Menschen verlassen, um das Elixier der Vergangenheit zu trinken und mit blinden Augen in die Sonne zu starren? Aber vielleicht spielte das keine Rolle; vielleicht würde es früher oder später keine Stadt und auch keine Menschen mehr geben, um die man sich sorgte. Der scharfe Wind ließ Lirith die Arme unter der Brust verschränken. Für sie sahen die Rauchwolken wie schwarze Fäden aus, die in den Himmel griffen.
    Sie zögerte, dann schloss sie die Augen und griff mit der Gabe zu. Ja, sie konnte es sehen, das Knäuel im Gewebe der Weltenkraft. Es brodelte und wuchs, während sie zusah. Übelkeit stieg in ihr auf. Trotzdem zwang sie sich dazu, näher hinzusehen, in das Herz der wimmelnden Masse zu blicken.
    Und sie konnte es sehen oder vielmehr fühlen. Genau in der Mitte lauerte ein schwarzes Nichts. Sie wurde Zeugin, wie ein Faden von dem Knäuel angezogen wurde, aufblitzte – und verschwunden war. Also tat es mehr, als die Fäden der Weltenkraft zu verknoten. Es fraß sie auf.
    Aber nach dem zu urteilen, was sie in der Nacht erfahren hatten, war das nur folgerichtig. Es konnte keinen Zweifel mehr geben, dass der Dämon die Ursache für das Knäuel in der Weltenkraft sowie für die Veränderung im Garten der Götter war. Doch warum hatte sie den Knoten zum ersten Mal im fernen Ar-Tolor gesehen?
    Denk nach, Schwester. Was ist an dem Tag geschehen, an dem du das Knäuel zum ersten Mal gesehen hast? Der Soldat kam an deine Tür und hat dich geweckt. Es war …
    Es war der Tag, an dem Melia auf Ar-Tolor eintraf.
    Ja, alles ergibt einen Sinn. Melia verliert sich in den Erinnerungen an die Vergangenheit, und seit dem Augenblick, in dem sie auf Ar-Tolor eintraf, geht es dir genauso. Und jetzt passiert es den Bürgern von Tarras, während selbst die Götter sich im Netz der Vergangenheit verfangen.
    Lirith nahm an, dass das Knäuel, das sie in der Weltenkraft sah, lediglich eine Vision war – ein Gebilde, das ihre Fähigkeit der Sicht erschuf, der Versuch, der Gefahr, die sie spürte, Form und Gestalt zu verleihen. Aber warum brachte der Dämon Melia und die anderen Götter – und die Menschen in ihrer Nähe – dazu, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu vermengen? Es war fast so, als würde der Dämon nicht nur das Netz der Weltenkraft auflösen, sondern das Gefüge der Zeit selbst.
    Lirith seufzte. Das waren Fragen, die sie nicht beantworten konnte, aber sie beschloss, die anderen zu fragen. Das hieß, wenn sie Zeit hatte. Denn im ersterbenden Licht des Feuers hatten sie letzte Nacht einen, wie Lirith fand, verzweifelten Plan geschmiedet.
    Ich vermute, ich soll mich unter die Stadt begeben, hatte Travis gesagt. Ich glaube, darum hat der Elf das Tor-Artefakt wieder mit seinem Blut gefüllt. Er will, dass ich hindurchschreite, Sinfathisar nehme und den Dämon aufhalte, bevor er sich befreien kann.
    Wir müssen die Scirathi ablenken, hatte Sareth gesagt. Sie werden die Höhle bewachen, in die der Dämon eingesperrt ist. Euer magischer Stein wird Euch nichts nutzen, wenn Ihr es nicht schafft, in die Nähe des Dämons zu kommen. Wir müssen die Zauberer so weit von Euch fern halten, wie es nur möglich ist.
    Ich glaube, da wird uns Kaiser Ephesian helfen, hatte Melia mit funkelnden Augen gesagt. Ob er will oder nicht.
    Es war Grace, die am Ende die Frage ausgesprochen hatte, die alle beschäftigt hatte. Wie, Travis? Wie

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