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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Bein, das nicht in Fleisch, sondern in Holz endete. Er verzog den Mund. Und stellte das Holzbein hinter das gesunde.
    Lirith war entsetzt. Sie hatte ihn nicht dazu bringen wollen, sein Bein zu verbergen. Es war ein Teil von ihm, so wie seine schönen Hände oder der knappe Spitzbart an seinem Kinn. Sie würde nichts davon ändern wollen. Wieder wollte sie etwas sagen und konnte es nicht.
    Das ist doch albern, Schwester. Sag es ihm. Sag, was du fühlst!
    »Es bringt Glück, sagen die alten Frauen«, sprach er mit seiner tiefen, melodischen Stimme.
    Sie neigte verwirrt den Kopf. Er zeigte auf ihr Spinnenamulett, das sie noch immer umklammerte.
    Lirith ließ es los. »Tatsächlich? Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt.«
    Vergangene Nacht hatte Vani berichtet, wie die Scirathi magische Spinnen benutzt hatten, um jene zu vergiften, die sie tot sehen wollten. Genauso hatten sie Orsith getötet, den Priester von Mandu, den Sterbenden Gott. Und sie hatte sie in ihren Träumen gesehen.
    Anscheinend erahnte er ihre Gedanken. »Nein, lasst nicht die Taten der Scirathi darüber entscheiden, was Ihr glaubt. Es ist eine Verhöhnung, dass die Zauberer von Scirath Spinnen für ihr böses Werk benutzen. Denn in Morindu waren Spinnen heilige Tiere. Und so betrachtet mein Volk sie noch immer. In unseren Legenden sind sie die Weber, die die Welt zusammenknüpfen.«
    Lirith seufzte. »Wir hatten angenommen, dass Sif für die Morde verantwortlich war, weil wir eine der Spinnen an dem Ort gefunden hatten, an dem der Priester Orsith ermordet wurde. Aber das war nur ein Zufall, nicht wahr?«
    »Nicht unbedingt. Ich vermute, die Scirathi sahen in dem Spinnengott eine Gelegenheit, jeden zu verwirren, der die Morde aufklären wollte.«
    Lirith nickte, aber sie wollte sich nicht über Spinnen unterhalten.
    »Ich habe gehört …« Ihre Stimme versagte, und sie befeuchtete sich die Lippen. »Ich habe gehört, dass Außenstehenden nicht erlaubt ist, in einen Klan der Mournisch einzuheiraten.«
    Sareth starrte reglos an ihr vorbei. »Das ist richtig.«
    Die Worte waren wie ein Dolch, aber einer, von dem sie gewusst hatte, dass er kommen würde. Sie wandte sich ab, um die Wunde zu verbergen, die mit Sicherheit in ihrer Brust zu sehen war. »Ich verstehe.«
    Aber vielleicht spielte es ja keine Rolle. Wer war sie denn schon, dass sie glaubte, ein Mann würde sie heiraten? Sie erinnerte sich an den Traum, in dem sich Sareth in ihren Armen zu Stein verwandelt hatte. War der Traum für sie nicht schon zur Wahrheit geworden? Ein Mann würde in ihr keine Wärme finden, kein Leben. Keine Kinder.
    Hinter ihr raschelte es. Sie roch sauberen Schweiß und Gewürze; ihr Hals wurde ganz trocken. Etwas Warmes berührte ihren Nacken; der Atem eines Mannes.
    »Beshala …«, flüsterte er.
    Sie schloss die Augen. »Ihr sagt dieses Wort immer wieder, aber ich kenne es nicht. Was bedeutet es?«
    »In der Sprache meines Volkes bedeutet es Geliebte.«
    Ein Keuchen entfuhr Lirith. Es war ein Schmerzenslaut. Sie drehte sich um und suchte in seinem Gesicht nach Antworten. »Nein, das kann nicht sein. Beshala. Ich erinnere mich – so habt Ihr mich auf Ar-Tolor genannt, in dem Augenblick, in dem Ihr mich erblickt habt.«
    Sein Blick war ernst. »Ich weiß.«
    »Aber …«
    »Welcher Mournisch kennt nicht sein Schicksal, wenn er ihm begegnet? Beshala?«
    Sie standen da wie die Bäume und schwankten im Wind, während hoch über ihnen die Möwen kreischten. Dann neigten sie sich langsam gegen den Wind einander zu.
    »Lirith, da seid Ihr ja!«
    Sie zuckte zurück, schaute auf. Grace kam zwischen den Sonnenblattbäumen auf sie zu. Travis war an ihrer Seite. Lirith spürte, wie ihre Wangen brannten, und Sareth trat schnell von ihr fort. Aber wenn Grace und Travis etwas bemerkt hatten, erwähnten sie es nicht.
    Und es gibt auch nichts zu erwähnen. Du hast seine Worte gehört. Was auch immer sein Schicksal ist, er kann keine Außenstehende heiraten. Und du weißt, was das Schicksal für dich bereithält. Der Rabe …
    »Melia ist aufgestanden«, sagte Travis. »Sie will, dass alle zusammenkommen. Sofort.«
    Grace zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Ich habe versucht, ihr zu sagen, dass vor einer Tasse Maddok keiner die Welt rettet, aber Ihr wisst ja, wie sie ist.«
    »Allerdings«, erwiderte Lirith in einem Tonfall, der, wie sie hoffte, unbekümmert klang. Wieder fragte sie sich, wie sie Grace sagen sollte, was die Hexen wegen Travis entschieden

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