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Die letzte Rune 07 - Die schwarzen Ritter

Titel: Die letzte Rune 07 - Die schwarzen Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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ihres Oberteils den üblichen letzten Zug zu geben. Darum lag ihre Kette frei, und einen schrecklichen Augenblick lang glaubte sie, Elwarrd würde sie anstarren, so wie Detective Janson, der Mann mit dem Eisenherzen, es vor über einem Jahr auf dem Polizeipräsidium von Denver getan hatte.
    Sei nicht albern, Grace. Es ist nicht dein Schmuck, den er anstarrt. Zweifellos siehst du aus wie ein Schankmädchen, und er ist beleidigt, dass du auf diese Weise gekleidet an seinen Tisch trittst.
    Aber etwas sagte ihr, dass der Graf alles andere als beleidigt war. Sie konnte beinahe spüren, wie sein Blick über ihre entblößte Haut glitt, und plötzlich fühlte sie sich verletzlich. Seltsamerweise war es kein störendes Gefühl.
    Sie nahmen dieselben Plätze ein wie am Vorabend. Wieder gab es zur Linken des Grafen einen leeren Platz; Pokal, Messer und Schneidebrett waren sorgfältig gedeckt, als würde jeden Augenblick ein wichtiger Gast eintreffen. Während des Essens erkundigte sich Elwarrd nach ihrem Tag: wie sie ihn verbracht hatten und wie es ihnen ging. Grace erklärte, dass Leweth ihr die nötigen Zutaten für eine Medizin gebracht hatte und dass diese geholfen hatte, was den Grafen zu freuen schien.
    »Und wie habt Ihr den Tag verbracht, Mylord«, fragte Grace, obwohl sie sich nicht sicher war, ob es als höflich galt, den Gastgeber zu befragen, aber Elwarrd schien nichts gegen ihre Aufmerksamkeit einzuwenden zu haben.
    »Auf eine ausgesprochen langweilige Weise, Mylady«, sagte er mit einem Lächeln, das zugleich gequält war und sich selbst nicht ernst nahm, und darum war es charmant. »Da ich keine Vasallen mehr habe, muss ich mich selbst um mein Lehen kümmern. Ich bin eben erst in die Burg zurückgekehrt. Es war ein Ritt von einem Pachtgut zum anderen: das Vieh zählen und das Korn auf Fäulnis überprüfen.«
    »Das klingt interessant«, sagte Grace.
    »Und jetzt lügt Ihr, Mylady. Aber Doppelzüngigkeit steht Euch, also sei es Euch verziehen.«
    Grace hob den Pokal an die Lippen, um ein Lächeln zu verbergen. Dann füllte sie ihn wieder und reichte ihn Elwarrd. Als er sich vorbeugte, fiel ihr auf, dass er nicht nach Regen und Schweiß roch, wie man nach seinen Tagesaktivitäten vielleicht hätte denken sollen. Stattdessen roch er nach Rauch und Seife. Burggerüchen.
    Als Elwarrd einen vorbeigehenden Diener ansah, rückte sie unauffällig auf ihrem Stuhl herum und sah nach unten, um einen Blick auf seine Stiefel zu werfen. Sie waren sauber, ohne die geringsten Schlammflecken. Aber es hatte den ganzen Tag draußen geregnet. Sicherlich waren alle Wege und Pfade der reinste Morast.
    Vielleicht bist du hier nicht die Einzige, die doppelzüngig ist.
    Aber das war albern. Selbst wenn Elwarrd ihr nicht alles erzählt hatte, was er an diesem Tag getan hatte, so war das immerhin sein Recht. Sie waren Fremde, und es war kaum seine Pflicht, ihnen seine privaten Aktivitäten zu schildern.
    Während des Essens warf Grace ein paar verstohlene Blicke zur Galerie hinauf. Soweit sie erkennen konnte, gab es dort nichts als Schatten. Aber sie wusste, dass Schatten das Auge betrügen konnten, und ihr standen andere Sinne zur Verfügung.
    Als die anderen von einem Scherz abgelenkt waren, den Beltan erzählt hatte, schloss Grace die Augen und griff mit der Gabe zu. Die Lebensfäden der anderen funkelten stark und hell, obwohl sie bei Beltan, Falken und Vani Spuren ihrer Krankheit erkennen konnte. Leweths Faden strahlte nicht besonders. Das war keine Überraschung; er war ein freundlicher junger Mann, aber strotzte nicht gerade vor Tatkraft. Aber Elwarrds Strang leuchtete strahlend grün. Grace musste dem Drang widerstehen, ihren Lebensfaden damit zu verbinden. Stattdessen zwang sie ihr Bewusstsein zur Galerie.
    Kälte überflutete ihr Inneres und erstickte sie wie das kalte Wasser des Ozeans. Die Galerie war leer. Aber nicht leer wie ein Zimmer, in dem sich keine Tiere oder Menschen aufhielten, denn selbst dort verweilten die Rückstände der Macht der Weltenkraft in der Luft und im Stein. Stattdessen war die Galerie wie ein Nichts, so als wäre auch der letzte Lebensfaden mit einem grausamen Messer dort weggekratzt worden.
    Dann bewegte sich etwas in diesem Nichts.
    »Mylady, alles in Ordnung?«
    Sie schlug die Augen auf und sah Elwarrds Gesicht ganz nahe vor sich; er musterte sie besorgt. Sie war sich undeutlich bewusst, dass auch die anderen sie anblickten, spürte aber überdeutlich die Hand des Grafen warm und stark auf dem Arm.

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