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Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher

Titel: Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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verstehen. Aber es spielte keine Rolle, dass er es verstand. Das Kleine Volk war uralt, und sie waren keine Menschen; ihre Ziele waren ein Geheimnis. Außerdem, allein eines war wichtig: Vani war schwanger. Mit Beltans Kind. Und dieses Kind war in Gefahr.
    Travis nahm sämtliche Gefühle bis auf die Liebe und schob sie zur Seite. Er sank auf die Knie, zögerte und legte Vani dann eine Hand auf den Bauch. Vani spannte sich an, wehrte sich aber nicht. Er konnte es fühlen: die erste Schwellung ihres Leibes.
    »Was stimmt nicht?«
    »Ich weiß es nicht.« Vani verzog das Gesicht vor Schmerz, als sie ein Krampf erfasste.
    Eine der Frauen drängte sich an Travis vorbei. Sie war alt, ihr Gesicht war so faltig wie ihr Ledergewand. Es war mit mehreren hellgelben Handabdrücken verziert. Sie strich mit knotigen Fingern über Vanis Leib und machte tief in der Kehle grunzende Laute.
    Die Kälte des Nichts hat das Kind verletzt. Sein Halt im Mutterschoß hat sich gelockert.
    »Was können wir tun?«, fragte Travis.
    Die Frau musterte ihn von oben bis unten, ihre Augen waren wie harte Steine. Sie tippte mit einem Finger auf Travis' Brust. Du bist ein Zauberer. Kälte hat das Kind frieren lassen, und nur Feuer kann sie wärmen. Du musst den Stein benutzen.
    Travis starrte sie an. Nein, das konnte nicht die Antwort sein. Feuer konnte nicht retten, es konnte bloß verbrennen.
    »Travis, was ist?«, wollte Beltan wissen. »Ich konnte es beinahe verstehen, aber eben nicht richtig.«
    Er griff in die Tasche und zog einen der Imsari hervor. Krondisar, der Stein des Feuers. »Sie hat gesagt, die Kälte hat das Baby verletzt, dass nur Feuer sie retten kann.«
    »Sie?« Vani hielt sich den Bauch. »Das Kind ist ein Mädchen? Aber wie kann sie das wissen?«
    Die alte Frau schnaubte. Sie ist bereits wach. Es ist zu früh, aber sie spricht trotzdem zu mir.
    Travis gab die Worte weiter, auch wenn er sie nicht so richtig verstand.
    In Vanis Augen flackerte Angst. »Travis, bitte. Tu, was sie dir sagt. Ich will nicht … ich will sie nicht verlieren.«
    »Du kannst es tun, Travis.« Beltan legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich weiß, dass du es kannst.«
    Er hatte so lange Zeit Angst vor dem gehabt, was aus ihm geworden war. Angst, andere zu verletzen. In diesem Augenblick legte Travis die Angst zur Seite – zum ersten Mal seit jener stürmischen Oktobernacht, in der Jack unter dem Magician's Attic seine Hand ergriffen und ihn zu einem Runenmeister gemacht hatte. Macht war im Grunde keine böse Sache, das wusste er mittlerweile; es lag an der Entscheidung desjenigen, der über sie gebot, ob sie zum Guten oder Bösen eingesetzt wurde. Er hatte nicht um diese Macht gebeten, aber er musste mit ihr umgehen, und er würde mit ihr machen, wozu er sich entschied. Nicht, um Leben zu zerstören, sondern um es zu erhalten.
    Travis umklammerte den Stein des Feuers mit der einen Hand und drückte die andere auf Vanis Bauch.
    »Krond«, murmelte er.
    Er sprach die Rune, nicht in Panik oder Wut oder Verzweiflung, so wie in der Vergangenheit, sondern ganz sanft, aus Liebe. Diesmal gab es keine Flammen. Stattdessen leuchtete seine Hand mit einem weichen, rotgoldenen Schimmer auf, der sich über Vanis Bauch ausbreitete – und darin eindrang. Vani keuchte auf, sie riss die Augen auf, bäumte sich auf. Ein Schauder durchfuhr sie, ihre Haut gewann wieder an Farbe. Dann passierte etwas Seltsames. Travis hatte den Eindruck, dass eine winzige und unschuldige Stimme in seinem Bewusstsein erklang.
    Hallo, Vater.
    Travis riss die Hand zurück. Vani und Beltan starrten ihn an.
    »Was ist passiert?«, fragte Vani.
    Travis schüttelte den Kopf. Die Stimme war so klar gewesen, voller Freude und Liebe. Aber das war unmöglich.
    Die Alte beugte sich vor und berührte Vani mit tastenden Fingern. Schließlich stieß sie ein Grunzen aus.
    Es ist gut. Die Wurzeln des Kindes sind jetzt stärker, und es wächst wieder in ihrem Schoß. Sie sah Travis mit zusammengekniffenen Augen an. Tatsächlich wächst es schnell. Zu schnell. Aber dieses Kind hat nicht einen Vater, sondern zwei.
    »Was sagt sie jetzt?«, wollte Beltan wissen.
    Vani sah ihn erwartungsvoll an. Travis öffnete den Mund, unsicher, was er sagen sollte.
    Da zerriss ein Laut die Luft, als würde ein scharfer Wind über spitze Steine brausen. Es war ein Schrei des Hasses, der Wut, der totalen Verzweiflung. Er kam aus der Ferne, aber nicht so weit entfernt, dass sie nicht alle eine Gänsehaut hatten, als er

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