Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
Er sah Vani an. »Er ist noch immer da, oder? Die Sieben sind bis zum Ende bei ihm geblieben, und sie haben ihn mit der Stadt begraben.«
Vani kniete sich auf den Boden. Beltan warf ihr einen misstrauischen Blick zu und schob verstohlen das Popcorn außerhalb ihrer Reichweite.
»Wir nehmen an, dass er dort noch immer ist«, sagte die T'gol. »Aber wir wissen es nicht.«
»Du meinst seinen Körper«, sagte Deirdre. »Es sind dreitausend Jahre vergangen. Orú kann nicht mehr leben.«
Vani zuckte mit den Schultern. »Wer weiß das schon? Es heißt, dass Orú bei der Zerstörung von Morindu fünfhundert Jahre alt war. Er war der mächtigste Zauberer, den es je gegeben hat. So mächtig, dass sich die Fäden des Schicksals selbst in seiner Gegenwart verhedderten und nur die A'narai allein ihm gegenübertreten konnten. Doch nach einiger Zeit hat ihn diese Macht verschlungen. Er verfiel in einen tiefen Schlaf, und darum haben die Schicksalslosen sein Blut getrunken und wurden selbst zu Zauberern von schrecklicher Macht. Sie herrschten in seinem Namen.«
»Okay«, sagte Deirdre und hoffte, dass Logik dem allen etwas von seinem Schrecken nahm. »Nehmen wir einmal einen Augenblick lang an, dass Orú irgendwie noch lebt, begraben unter der Wüste. Was würde geschehen, wenn die Scirathi ihn finden würden?«
»Das muss unter allen Umständen verhindert werden!«, sagte Vani wild. »Mit Orús Blut sind die Scirathi nicht mehr aufzuhalten in ihren bösen Taten. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sie zuerst Jagd auf mein Volk machen würden und alle Morindai umbringen, bis auf den letzten Mann, die letzte Frau und das letzte Kind.« Vani erhob sich und nahm ihren Marsch wieder auf. »Aber das wäre nur der Anfang. Mit Hilfe von Orús Blut könnten sie ganz Moringarth versklaven – ganz Eldh. Sie würden seine Menschen mit dem ganzen Hass und der ganzen Grausamkeit unterdrücken, die sie die ganzen Jahrhunderte lang in ihren Herzen genährt haben. Ihnen könnte nichts widerstehen. Die Sieben haben das gewusst. Darum haben sie ihre Stadt zerstört.«
Travis räusperte sich. »So wie du sie beschreibst, lassen die Scirathi den Fahlen König wie einen Burschen klingen, der sein Königreich bloß verlassen wollte, um etwas zu spielen.«
Vani hob eine Braue. »Verglichen damit, was die Scirathi werden könnten, war er das auch.«
»Moment mal«, sagte Beltan, eine Hand voll Popcorn verharrte auf halbem Weg. »Sind nicht alle Scirathi getötet worden, als der Dämon in Tarras die Etherion zerstört hat?«
»Alle Scirathi in Falengarth, ja«, sagte Vani. »Aber in Moringarth gibt es noch viel mehr von ihnen. Wenn jeder von ihnen von Orús Blut trinkt, dann würden sie zu einem Heer, wie du es dir nicht einmal vorstellen könntest.«
»Sie hat Recht«, sagte Travis, schlüpfte vom Sofa und setzte sich gegenüber von Beltan auf den Boden. »Erinnerst du dich, was aus Xemeth wurde, nachdem er von dem Skarabäus getrunken hatte? Er hätte uns vernichtet, wäre da der Dämon nicht gewesen. Und er war bloß ein Mann, und nicht einmal ein Zauberer. Das Blut machte ihn …«
Travis hielt sich die rechte Hand, und Beltan warf ihm einen besorgten Blick zu. Deirdre fragte sich, was er hatte sagen wollen.
»Also gut«, sagte sie und versuchte, das alles in ihrem Kopf zu ordnen. »Ich verstehe, dass Orús Blut mächtig ist und die Scirathi alles tun würden, um es in die Hände zu bekommen. Aber Morindu ist vor Jahrtausenden verloren gegangen. Warum ist das ausgerechnet jetzt so wichtig? Und was hat das Ganze mit mir zu tun?«
»Ich glaube, das hier wird beide Fragen beantworten«, sagte Vani und legte einen schwarzen Tetrahedron auf den Tisch. »Travis?«
Travis zögerte, dann berührte er den Stein. Deirdre holte scharf Luft, als das Bildnis eines Mannes über dem Stein erschien. Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen, aber seine attraktiven, ebenmäßigen Züge machten ihre Verwandtschaft klar, und sie wusste, dass es sich um Vanis Bruder handelte. Das war eine Botschaft von Eldh.
Die Botschaft war kurz, und sie veränderte alles. Als das Bild von Vanis Bruder verschwand, pochte Deirdres Herz wild.
»Hadrian, du Bastard«, murmelte sie. »Du großartiger Bastard. Du hast es tatsächlich getan.«
»Was getan?«, fragte Beltan mit gerunzelter Stirn.
Sie nahm sich ein Sofakissen und drückte es gegen die Brust. »Er hatte eine Begegnung der Klasse null. Die Versetzung in eine andere Welt. Etwas, worauf jeder Sucher
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