Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
getan?«, fragte Grace schockiert. »Warum habt Ihr die Rune des Brechens über dem Runenstein gesprochen?«
»Das habe ich nicht, Euer Majestät«, sagte Larad mit einem traurigen Blick. »Heute Morgen hat einer der Schüler dieses Stück neben dem Runenstein gefunden. Es ist von allein abgebrochen. Und als ich den Runenstein sorgfältig untersuchte, fand ich viele feine Spalten, die zuvor nicht da waren.«
»Aber Ihr könnt ihn wieder binden.« Grace war froh, dass die Musik von der Galerie ihre schriller werdende Stimme übertönte. »Ihr könnt die Rune des Bindens sprechen und ihn reparieren.«
»Das dachte ich, bis ich es versuchte.« Larad schloss die Finger um den Steinbrocken. »Trotz meiner Bemühungen konnte ich dieses Stück nicht wieder mit dem Runenstein verbinden.«
Das war unmöglich. Larad war ein Runenmeister – ein echter Runenmeister, so wie Travis Wilder. Die Rune des Bindens zu sprechen hätte für ihn kein Problem sein dürfen.
Grace fiel ihre Unterhaltung mit Lursa wieder ein. »Ihr solltet mit den Hexen sprechen. Sie haben Schwierigkeiten, einen neuen Zauber zu weben. Vielleicht ist nicht nur die Runenmagie betroffen.«
Larad hob eine Braue. »Wenn dem so ist, dann sind das in der Tat schlimme Neuigkeiten. Ich werde mit den Hexen sprechen. Vielleicht haben sie etwas gespürt, das mir entgangen ist.«
Und ich spreche auch mit den Hexen, beschloss Grace und nahm sich vor, Aryn und Lirith bei der nächsten Kontaktaufnahme darauf anzusprechen.
Larad bat um die Erlaubnis, sich zurückziehen zu dürfen, und sobald der Runenmeister gegangen war, war Grace nicht länger in der Stimmung für ein Fest. Sie wünschte Melia, Falken und Kel eine gute Nacht und setzte dabei ein fröhliches Gesicht auf. Selbst wenn Meister Larad Recht hatte – und Grace hatte da nicht den geringsten Zweifel –, machte es keinen Sinn, jedem das Fest zu verderben, solange sie nicht mehr wussten.
Sie verließ den Großen Saal, stieg eine Wendeltreppe hinauf und betrat dann den Korridor, der zu ihren Gemächern führte. Der Gang war dunkel und wurde nur von einer spärlichen Sammlung von Öllampen erhellt, und als sie um eine Ecke bog, konnte sie die Dienerin nicht sehen, bevor sie mit ihr zusammenstieß. Die alte Frau gab ein Stöhnen von sich, etwas fiel zu Boden.
»Es tut mir Leid«, sagte Grace. »Ich habe dich nicht gesehen.«
Die Frau trug ein formloses graues Kleid und eine übergroße Kappe. Sie verneigte sich tief und murmelte fiebrig etwas, entschuldigte sich zweifellos, auch wenn Grace nicht ein Wort verstehen konnte.
»Es ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Wirklich, es war mein Fehler.«
Aber die Alte hielt den Kopf gesenkt.
So viel zu dem Vorsatz, die Diener nicht in Angst und Schrecken zu versetzen, dachte Grace und seufzte. Sie sah nach unten und bemerkte, dass der Gegenstand, den die alte Frau hatte fallen lassen, neben ihrem Fuß ausgerollt war. Es war ein Garnknäuel. Grace bückte sich, um es aufzuheben.
»Oh!«, sagte sie.
Vorsichtig zog sie die Nadel aus dem Finger. Sie hatte aus dem Garn herausgeragt, aber in dem schlechten Licht hatte sie sie nicht sehen können.
»Nun, ich schätze, damit sind wir quitt«, sagte sie mit einem trockenen Lächeln.
Sie schob die Nadel wieder in das Garn, dann hielt sie das Knäuel hin. Die Alte nahm es mit einer verkrümmten Hand entgegen. Sie murmelte etwas – sie sah noch immer nicht auf –, dann schlurfte sie weiter, bis ihr aschgraues Kleid mit dem Zwielicht verschmolz. Grace zuckte mit den Schultern, saugte an ihrem blutenden Finger und ging weiter zu ihren Gemächern.
Zwei bewaffnete Posten standen vor der Tür. Es ärgerte sie, dass sie immer dort stationiert waren, aber sie waren ein Teil der Konzessionen, die sie Sir Tarus gemacht hatte. Die Männer salutierten, als sie sich näherte. Grace nickte ihnen unbehaglich zu – sie wusste noch immer nicht, wie sie grüßen sollte oder ob überhaupt –, dann schlüpfte sie in ihr Gemach und drückte die Tür hinter sich ins Schloss, seufzte über die gesegnete Stille. Vielleicht waren die Posten ja doch keine so schlechte Idee. Sie würden König Kel davon abhalten, zu den unmöglichsten Zeiten hereinzuplatzen und sie um einen Tanz zu bitten.
Müde bis auf die Knochen, legte sie das Wollkleid ab und schlüpfte in ihr Nachthemd; dabei verzog sie das Gesicht. Der Schmerz in ihrem rechten Arm ging nie ganz weg, aber die meiste Zeit war es ein dumpfer, erträglicher Schmerz. Aber heute Abend
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