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Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste

Titel: Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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völlig still, durch einen Spalt in den Fensterläden drang Mondlicht herein und schnitt wie ein Silbermesser durch den Raum. Grace versuchte wieder einzuschlafen, aber es war sinnlos; ihre Blase würde ihren Willen bekommen. Sie stand auf und benutzte den Nachttopf, dann ging sie zurück zum Bett.
    Auf halbem Weg blieb sie stehen und ging stattdessen zum Fenster. Sie zögerte, dann öffnete sie einen der Fensterläden. Das Fenster ging nach Norden hinaus, und sie fragte sich, ob sie wohl den Riss würde sehen können.
    Nein. Ein Rauchschleier hing über Glennens Schanze. Sie bezweifelte, dass die Bewohner der Stadt überhaupt von seiner Existenz wussten. Wie konnten sie, wo sie doch im Schankraum so unbeschwert gelacht und gesungen und geklatscht hatten? Aber vielleicht wussten ein paar ja doch Bescheid. Grace dachte an die alte Frau auf dem Markt, die ihre Tränke wegschüttete. Seufzend griff sie nach dem Fensterladen.
    Und erstarrte. Ein Schatten huschte durch die schmale Straße unter ihr. Er schlich auf das Gasthaus zu, hielt sich tief geduckt, mied jeden verirrten Lichtstrahl, der aus benachbarten Fenstern kam.
    Es ist nur ein Hund, der nach Resten sucht, sagte sich Grace, aber selbst ihr war klar, dass er zu groß für einen Hund war und sich nicht im Mindesten so bewegte.
    Eine nächtliche Brise wehte durch die Straße, und die Umrisse des Schattens schienen zu flattern. Seine Bewegungen waren langsam und zielgerichtet, beinahe schon träge, er schien eher zu sickern als zu schleichen, während er sich dem Gasthaus näherte und direkt auf die Wand unter ihrem Fenster zuhielt.
    Auf der anderen Straßenseite öffnete sich eine Tür, ein Lichtstrahl fiel auf die Straße. In der Zeit eines Augenblinzelns schlüpfte der Schatten in eine Gasse zwischen Gasthaus und Stall, verschwand, als würde er von der Dunkelheit verschluckt. Grace riss den Fensterladen zurück und verschloss ihn mit der Eisenstange; ihr Herz klopfte.
    Sie dachte darüber nach, Brael zu wecken. Aber das war absurd. Was sollte sie ihm sagen? Dass sie aus dem Fenster geschaut und einen Betrunkenen nach Hause kriechen gesehen hatte? Denn sicherlich war das alles gewesen. Sie ging wieder zu Bett und schlief ein.
    Im Tageslicht war die Erinnerung an den Schatten weniger bedrohlich, und sie hatte ihn fast schon wieder vergessen, aber da fragte Larad sie auf dem Weg aus der Stadt, wie sie geschlafen hatte, und sie erwähnte es.
    »Ihr hättet sofort zu mir kommen müssen, Euer Majestät«, sagte der Runenmeister mit strenger Miene. »Ich hätte die Rune der Sicht sprechen können. Wir hätten einen Blick darauf werfen können.«
    Die Worte überraschten sie. »Es war nur ein Schatten, Meister Larad.«
    »Wie Ihr meint, Euer Majestät.«
    Aber statt sie zu beruhigen, nagten die Worte des Runenmeisters den ganzen Tag wie Säure an ihr, und sie beschloss, Larad sofort zu alarmieren, sollte sie noch einmal etwas Ungewöhnliches sehen.
    Aber das geschah nicht, und als sie die Reise nach Süden fortsetzten, fiel es immer schwerer, das Gefühl der Dringlichkeit aufrechtzuerhalten, das beim Aufbruch von Burg Todesfaust noch da gewesen war. Stattdessen stumpfte die Monotonie der Reise ihre Furcht genau wie ihre Gedanken ab. Jeder Tag war gleich: Zu ihrer Linken erhoben sich die Berge, zu ihrer Rechten erstreckte sich die Ebene, und die Straße verlief vor ihnen, gerade, vorhersehbar und – so weit das Auge sehen konnte – endlos.
    Die Dringlichkeit hätte möglicherweise jede Nacht neu entfacht werden können, hätte sie den Riss gesehen, aber das war unmöglich. Die Luft im südlichen Eredane war feucht, und nachts verbarg ein Schimmer alle Sterne. Am Tag war das Wetter uncharakteristisch heiß und schwül, und Grace fand all die wollenen Reitgewänder, die sie eingepackt hatte, schwer und einschnürend.
    Am zwölften Tag nach dem Aufbruch von Burg Todesfaust beschrieb der Königinnenweg einen scharfen Bogen in seinem Verlauf und führte zickzackförmig eine steile Anhöhe hinauf. Sie hatten die Trennlinie zwischen den Fal Erenn und den Fal Sinfath erreicht, den Zwielichtbergen.
    Den ganzen Tag ging es bergauf, und an einigen Stellen war die Straße so steil, dass sie zum Absteigen gezwungen waren und die Pferde führen mussten, um sie nicht zu erschöpfen – nur Larads Maultier trottete so friedlich daher, als hätte es die ebene Straße nie verlassen.
    Sie erreichten den Pass bei Einbruch der Nacht. Vor ihnen lag das felsenübersäte Hochland von

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