Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
es etwas mit dem Perihel zu tun hatte.
Wenn sich die Zwillinge nähern, wird alles vergehen, falls die Hoffnung nicht alles ändert …
Aber welche Hoffnung hatten sie? Deirdre hatte nicht die geringste Ahnung, auf was für eine Verwandlung die Sieben aus waren oder welcher Katalysator sie in Gang setzen würde. Während sie unablässig auf und ab gegangen war, hatte sie dauernd leise das Lied gesummt: Feuer und Staunen. Sie hatte das Gefühl, ganz kurz vor der Erkenntnis zu stehen, was das Lied zu bedeuten hatte, aber sie war wie ein Schmetterling, der in ihrem Kopf herumflatterte: wunderschön, lockend und immer außerhalb ihrer Reichweite. Trotzdem war sie sich sicher, dass das Lied einen Hinweis auf die Natur des Katalysators enthielt. Marius hatte diesen Verdacht gehabt, und ihre eigene Intuition – auf die sie zur Abwechslung einmal hörte –, sagte ihr das Gleiche. Sie musste nur lange genug darüber nachdenken, dann würde sie darauf kommen. Sie fing an, das Lied wieder leise zu singen …
»Entschuldigung, Miss.«
Deirdre griff nach der Bärenkralle an ihrer Kette und stand auf, als die Schwester näher kam. Sie war mittleren Alters und hatte das dunkle Haar zu einem ordentlichen Knoten gebunden, in der Hand hielt sie ein Klemmbrett. Deirdres Mund wurde trocken.
»Ihr Freund ist jetzt auf der Intensivstation«, sagte die Schwester. »Sie dürfen ihn besuchen, wenn Sie wollen, aber nur ein paar Minuten lang. Er ist sehr müde und noch immer von der Narkose sehr benommen.«
Deirdre folgte der Schwester und ließ Beltan schlafend auf den Stühlen zurück. Sie traten durch eine Flügeltür und gingen dann einen Korridor entlang. Die Schwester zeigte auf eine Stahltür. Deirdre sammelte ihre Willenskraft, dann trat sie ein.
Das leise Summen von Maschinen erfüllte die Luft, zusammen mit dem scharfen Geruch von Desinfektionsmitteln. Sie machte einen Schritt in den Raum hinein und zuckte zusammen. Sie war an Anders' Präsenz gewohnt. Der Mann in dem Krankenhausbett sah seltsam klein aus.
»Hey, Kollegin«, krächzte eine müde Stimme.
In Deirdre schossen mehr Gefühle hoch, als sie auf einmal benennen konnte: Freude, Erleichterung, Qual, Trauer und ein Dutzend anderer dazu. Sie hatten ihn aufrecht hingesetzt. Von der Taille abwärts bedeckte ihn ein Laken; sein Oberkörper war bis auf einen breiten Verband um die Brust nackt. In jedem Arm steckten Infusionsnadeln. Er sah älter aus, als sie ihn in Erinnerung hatte; das Neonlicht ließ sein Haar eher grau als blond erscheinen. Aber er brachte ein schmales Lächeln zustande, und ein Ansatz seines üblichen Funkelns lag in seinen blauen Augen.
»Hätte nie gedacht, Sie je wiederzusehen, Partnerin«, sagte er heiser. »Hätte nie gedacht, überhaupt noch mal etwas zu sehen, wenn ich es mir recht überlege.«
Deirdre wollte etwas erwidern, konnte es aber nicht. Sie nahm seine Hand. Er erwiderte den Druck ihrer Finger, stärker als sie gedacht hätte.
»Aber, aber, Deirdre. Kein Grund zum Weinen. Wie sich herausgestellt hat, komme ich wieder in Ordnung. Auch wenn das die Ärzte erstaunt hat, um ehrlich zu sein. Wie ich es verstanden habe, hat die Kugel eine wichtige Arterie angekratzt. Sie sagen, ich hätte längst verblutet sein müssen, als die Sanitäter endlich kamen. Aber das bin ich nicht.«
Deirdre konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Sie stecken voller Überraschungen, Kollege.«
Er grinste, und auch wenn das Grinsen etwas zittrig war, war es doch so durchtrieben wie immer. »Das tut mir Leid.« Sein Grinsen erlosch. »Ich weiß, dass Sie mir das niemals glauben werden, aber es hat mir nie gefallen, Sie belügen zu müssen. Ich wollte Ihnen immer die Wahrheit sagen, aber Nakamura hat mich nicht gelassen.«
Ihr Lächeln verblasste auch. »Ich glaube Ihnen.«
Er verzog das Gesicht. Schmerzen von seiner Wunde? »Ach, Kollegin«, sagte er. »Es tut mir Leid.«
Sie legte die rechte Hand auf seine Stirn, ließ seine Hand aber nicht los. In den drei Jahren hatte sie ihn nur selten berührt. Es fühlte sich gut an, jetzt miteinander verbunden zu sein. »Ich bin hier diejenige, der es Leid tut. Tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich Ihnen vertrauen kann, und ich ließ mich von Sasha überzeugen, dass ich es nicht konnte.«
»Es war nicht Ihre Schuld. Wie sich herausgestellt hat, hatte Sasha dabei tatkräftige Unterstützung. Ich habe ihr nie so richtig vertraut, auch wenn ich nie den Finger darauf legen konnte, warum das so war. Sie
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