Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
Schwester ihnen mitgeteilt hatte, dass er aus dem OP heraus war? Sie war sich nicht sicher, aber in der Zwischenzeit war es draußen dunkel geworden, und der Warteraum hatte sich langsam, aber sicher geleert, bis sie mit Beltan allein war.
Im Augenblick lag der blonde Mann auf mehreren Plastikstühlen ausgestreckt. Er schnarchte. Die Aktivitäten des Tages – die wilde Fahrt von London nach Edinburgh, der Kampf im Herrenhaus, die Krankenwagenfahrt – hatten den Krieger in ihm mehr erschöpft, als er zuzugeben bereit war. Jedes Mal wenn Deirdre ihn gebeten hatte, sich auszuruhen, hatte er sich stur geweigert. Aber vor einer kurzen Weile hatte sie ihnen Kaffee geholt. Als sie zurückgekehrt war, war er fest am Schlafen gewesen.
Im Schlaf sah sein Gesicht ganz friedlich aus; die Sorgenfalten, die seine Stirn verzogen hatten, seit Travis, Vani und Nim durch das Tor gestürzt waren, hatten sich geglättet. Ein Klammerpflaster bedeckte den Riss auf seiner Wange, obwohl das kaum nötig erschienen war. Die Wunde war bereits verschorft; sie heilte schnell.
Du solltest dich auch ausruhen, sagte eine ruhige Stimme in ihr. Ihr Weises Ich. Vor dir liegt viel Arbeit. Du wirst deine Kraft brauchen, um sie zu bewältigen.
Aber sie konnte nicht schlafen, nicht jetzt, nicht wenn sie wusste, was morgen in einem Lagerhaus südlich von London geschehen würde. Sie würde sich dorthin begeben, sobald sie konnte. Aber zuerst musste sie ihn sehen, musste sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass er leben würde.
Hättest du doch bloß auf deinen Instinkt gehört, hättest du Anders so vertraut, wie dir dein Herz gesagt hat, dann wäre er nicht angeschossen worden und Marius würde noch am Leben sein. Das ist alles deine Schuld.
Nein. Das war ihr Schatten Ich, das da sprach, und sie würde nicht auf seine bittere Stimme hören. Es würde ihr nicht bei dem helfen, was sie tun musste. Außerdem hatten Anders und Beltan ihre eigenen Entscheidungen getroffen. Sie hatte sie nicht darum gebeten, ihr von London zu folgen.
Auch wenn sie hätte wissen müssen, dass sie es tun würden – und vielleicht hatte sie es tief in ihrem Inneren ja auch gewusst. Aber sie hatte nicht geglaubt, dass sie zusammenarbeiten würden. Sie hatte Anders für einen Verräter gehalten und war von der Annahme ausgegangen, dass er ihr folgen würde, um sie aufzuhalten. Stattdessen stimmte das genaue Gegenteil. Er hatte versucht, sie zu beschützen. So wie er es seit drei Jahren getan hatte.
Wieder musste sie daran denken, was geschehen wäre, wenn Anders und Beltan nicht in dem Herrenhaus aufgetaucht wären. Marius wäre trotzdem tot, und sie auch. Niemand würde wissen, wer die Philosophen in Wirklichkeit waren oder was sie planten. Und was sie morgen tun würden. Aber sie war am Leben, und sie wusste es, und das hatte sie Anders zu verdanken.
Warum hat er mir nicht die Wahrheit gesagt, wer er ist?
Aber sie kannte die Antwort. Hätte Nakamura sie darüber informiert, dass er ihr rund um die Uhr einen Leibwächter zuteilte, hätte sie sich dagegen vehement gewehrt. Also hatte Nakamura sie hereingelegt und ihr Anders als neuen Partner zugeteilt. Tatsächlich hatte sie zu Anfang die Wahrheit erahnt, sich aber schließlich selbst davon überzeugt, Anders zu glauben. Ihr Instinkt war richtig gewesen, und sie hatte nicht darauf gehört. Aber vielleicht war es gar nicht ihr Verstand gewesen, der ihr in die Quere gekommen war. Vielleicht war es ihr Herz gewesen. Sie hatte Anders glauben wollen, also hatte sie es getan. Aber er hatte sie die ganze Zeit über angelogen, und auch wenn er es nur getan hatte, um sie zu beschützen, änderte das nichts an der Tatsache, dass er nicht ehrlich gewesen war.
Und was ist mit dir? Du hast dich auch nicht gerade an deinen Schwur gehalten, ihm alles zu sagen.
Und genau darum konnte sie ihm nicht böse sein. Bei Nakamura war das schon etwas anderes. Sasha war eine Verräterin gewesen, aber in einem hatte sie Recht gehabt: Die Sucher hatten Geheimnisse. Nakamura hatte sie die ganze Zeit hintergangen. Aber warum? Warum war es so wichtig gewesen, sie zu beschützen, dass er deshalb bereit gewesen war, sie zu belügen?
Vielleicht kannte sie auch diese Antwort. Hadrian Farr war weg. Sie war die einzige Sucherin mit einer direkten Verbindung zu Travis Wilder und Grace Beckett, einem der wichtigsten Fälle in der Geschichte der Sucher – wenn nicht sogar der wichtigste. So eine Person hätte er bestimmt keinem Risiko
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