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Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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angewendet worden. Ich blieb noch eine Zeit lang neben ihm sitzen, meine Hand auf seiner Stirn. Als der Abendhimmel draußen in Flammen stand, ging ich und sagte Pietro, dass er tot war.
    An die folgenden Wochen habe ich nur eine schwache Erinnerung. Pietro brachte mir zu essen, aber ich kann mich nicht erinnern, etwas gegessen zu haben. Ich stand jeden Morgen vor der Dämmerung auf, aber ich erinnere mich nicht, geschlafen zu haben. Jeden Tag ging ich zu dem Grab auf dem Hügel hinter dem Haus, aber ich habe keine Erinnerung daran, wie es gegraben wurde. Es gab keinen Grabstein, abgesehen von dem uralten Menhir, den wir gemeinsam besucht hatten und dessen verwitterte Oberfläche keine Schrift trug, von Wind und Regen schon vor langer Zeit von jeder Erinnerung befreit.
    Ich verbrachte viel Zeit damit, wie ein Geist im Haus umherzuwandern. Es war, als würde ich etwas suchen. Aber ich konnte nicht benennen, was es war, und ich fand es nicht, auch wenn ich überall danach suchte. Wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, wurde ich von der Bibliothek angezogen, aber im letzten Moment wandte ich mich immer ab.
    Da ist eine verschwommene Erinnerung an Männer, die einen Besuch machten, bekleidet mit den schwarzen Mänteln von Advokaten. Sie brachten mir Papiere und befahlen mir, sie zu unterschreiben, was ich tat, ohne einen Blick hineinzuwerfen, und als ich fertig war, sagten sie mir, dass ich der neue Herr von Madstone Hall war. Ich fragte Pietro, was das zu bedeuten hatte, und er meinte, ich sollte mir keine Sorgen machen, dass der Master in Edinburgh Männer beauftragt hatte, die sich um die Geschäftsangelegenheiten des Anwesens kümmern würden.
    »Eure einzige Aufgabe ist es, Eure Studien fortzuführen, Master.«
    »Du solltest mich nicht so nennen«, sagte ich und ging, um Hermes zu satteln.
    Aber der Ritt konnte mich nicht beruhigen, und ich kehrte zurück und nahm die Wanderung im Haus wieder auf. Als die Zeit den Oktobermond zu einer dünnen Sichel schliff, wurde mir klar, dass ich gar nichts suchte. Ich wartete vielmehr. Wartete auf etwas. Auf jemanden.
    Dann, zu Allerheiligen, das die Dorfbewohner noch immer das Schlachtfest nannten, kamen sie. Ich stand am Fenster im Zimmer des Masters – Pietro hatte mich gebeten, dort zu schlafen, auch wenn es für mich noch immer das Zimmer des Masters war – und sah zu, wie die Dorfbewohner große Holzräder mit Fackeln entzündeten und sie dann den Hügel hinunterrollten. Das einfache Volk glaubte, dass in dieser Nacht die Grenzen zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Geister durchlässig wurden und Geister und Dämonen durch die Spalten von einem Reich ins andere schlüpfen konnten. Darum zündeten sie große Feuer an, um die Geister zu verjagen.
    »Master«, sagte Pietro hinter mir. Ich hatte ihn nicht eintreten hören. »Master, sie sind … Ihr habt Besuch. Soll ich sie fortschicken?«
    Ich musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er zitterte. Draußen rollten die brennenden Räder den Hügel hinunter. Sie sahen wie goldene Augen aus, die mich aus der Nacht anblickten.
    »Nein, Pietro. Ich werde sie im Schreibzimmer empfangen.«
    Der alte Diener fing an zu protestieren, aber ich drehte mich um und warf ihm einen scharfen Blick zu, und ich konnte die grünen Funken sehen, die sich in seinen aufgerissenen Augen widerspiegelten. Er senkte den Kopf und eilte aus dem Zimmer.
    Vor dem Spiegel zog ich eine Jacke aus braunem Samt an, dann band ich mein Haar mit einer Schleife zusammen. Mein dichter und voller goldener Bart ließ mich älter als neunzehn aussehen, genau wie der grimmige Ausdruck in meinem Gesicht, der mich zu meinem Erstaunen an ihn erinnerte. Ich sah adlig genug aus und hoffte bloß, dass ich mich auch so fühlen würde, dass ich mich ihnen gegenüber behaupten konnte.
    Als ich das Schreibzimmer betrat, erhoben sich ein Mann und eine Frau von den Stühlen vor dem Kaminfeuer. Sie waren nicht in Schwarz gekleidet, und die beiden sahen mich neugierig an, aber aus blauen und braunen Augen, nicht aus goldenen. Meine Überraschung war so groß, dass ich unwillkürlich stolperte und an dem Pfosten am Rand der Treppe nach Halt suchte.
    »Hallo, Marius«, sagte die Frau. Sie war nicht jung – vielleicht um die Vierzig –, und ihr Gesicht wies feine Falten auf, aber sie war noch immer hübsch und schlank in ihrem grünen Kleid.
    »Ihr dürft mich als Lord Albrecht ansprechen.«
    Sie zuckte zusammen, missverstand die Schärfe in meiner Stimme

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