Die letzte Schlacht
Glück haben, können wir vielleicht diejenigen retten, die wir am meisten lieben, und dann müssen wir hoffen, dass diese wiederum jemand anders helfen. Am Ende hat mein Sohn genau dies getan. Er rettete die, die er mehr liebte als das Leben selbst. Dabei setzte er eine Kette in Gang, und weil dies geschehen ist, bist du jetzt hier. Auch ich bin deshalb hier. Denke also nicht daran, alle Menschen zu retten, Yola. Du weißt, wen du liebst und für wen du sterben würdest. Rette diesen und nur diesen Menschen. Das ist doch keine so große Aufgabe, oder?«
Yola sah ihn an, die Tränen glänzten noch auf ihrem Gesicht, aber ihre Augen funkelten. Sie schüttelte den Kopf, und dann drehte sie sich um und betrachtete einen anderen Aufgestiegenen. Den Jungen. Erzog die Augenbrauen hoch, doch Yola lächelte nur.
»Dann wollen wir es noch einmal versuchen, ja?«
Iliev klopfte Kashilli auf den Rücken.
»Jetzt geht es los. Seid bereit. Sie sind wie Hunde, die eine Witterung aufgenommen haben, und wir stehen direkt vor ihrer Beute.«
Kashilli ließ Kopf und Schultern kreisen. »Die sollen nur kommen.«
Inzwischen entfernten sich die Bürger vom Tor, und im Hof tat sich eine Gasse auf. Pfeile flogen durch den Triumphbogen, viele warfen Steine, Messer oder was sie sonst gerade zur Hand hatten. Nichts konnte die Toten aufhalten. Das dumpfe Pochen ihrer Füße und der Schimmel, der sich vor ihnen ausbreitete, trieben die Verteidiger immer weiter zurück. Die Menschen kreischten so laut, dass es in den Ohren wehtat.
Direkt vor Iliev wurden auch die Wächter am Boden nervös und sahen sich über die Schulter um.
»Haltet die Stellung«, rief Iliev. »Unterstützt die Ocenii. Kämpft heute als Helden für die Konkordanz. Richtet eure Speere aus und schwankt nicht. Ihr könnt sie aufhalten.«
Dann hörte Iliev hinter sich ein Plätschern und wagte es, sich kurz umzudrehen. Das Wasser stieg aus dem Brunnen empor und ergoss sich über die Aufgestiegenen, bis es sie wie eine zweite Haut bedeckte. Die Luft knisterte vor Energie. Neben Iliev wog Kashilli seinen Hammer in den Händen und knurrte. Natürliche Kraft und übernatürliche Macht kämpften vereint gegen die Feinde.
Die Toten marschierten zum Brunnen. In der ersten Reihe kamen gewöhnliche Bürger und einige Milizionäre. Abgesehen von der kranken Hautfarbe und dem Schimmel auf ihrer Kleidung sah man ihnen kaum an, dass sie tot waren. Vor ihren Füßen breitete sich die Seuche langsamer aus als zuvor. Als wäre die Kraft, die sie antrieb, geschwächt oder woanders gebündelt. Auch Kashilli hatte es bemerkt und grunzte. Iliev wusste, was er dachte – ihre Aussichten hatten sich eine Spur verbessert.
Die Lebenden rannten fort, wenn sie konnten, und überließen den Brunnen den Toten, die ihn bald umringt hatten. Das Siebte Kommando stand auf dem Rand des Beckens, die Gardisten des Aufstiegs standen auf dem Boden. Dort würden sie sich nicht mehr lange halten können.
»Kashilli, ein letzter Wunsch?«
»Festen Grund unter den Füßen«, sagte er. »Und die Möglichkeit, ein letztes Mal zuzuschlagen.«
Iliev nickte. »Dann wollen wir es gemeinsam tun. Siebtes Kommando, nach vorne. Los!«
Kashilli und Iliev sprangen über die Gardisten hinweg und landeten zwischen den Speeren, die sie beiseitedrückten. Das Siebte Kommando umringte den Brunnen und bildete eine dünne äußere Verteidigungslinie. Kashilli hielt nicht inne. Er rannte zu den Toten, schwang den Hammer mit beiden Händen über dem Kopf und zerstörte die Rippen und das Rückgrat eines Angreifers, der gegen zwei weitere prallte.
Iliev ging in die Knie und hackte mit seiner Axt nach den Knien eines toten Bürgers, während er zugleich mit dem Hammer das Fußgelenk eines anderen traf. Als beide stolperten, sprang er zurück und zerschmetterte ihnen die Schädel, während sie stürzten. Schließlich durchtrennte er noch ihre Achillessehnen, ehe er sich dem Nächsten zuwandte.
Der Druck war ungeheuer groß. Die Toten rückten einfach weiter vor. Auch diejenigen, die angegriffen wurden, hielten nicht an. Zwar vermochten die Ocenii einige Breschen in ihre Reihen zu schlagen, doch sie mussten sich Schritt für Schritt zurückziehen. Wieder schwang Kashilli seinen Hammer und fällte einen weiteren Bürger.
Dann wich er einen Schritt zurück, schwang seine Waffe von unten nach oben und traf den Brustkorb eines Toten. Der Schlag hob den Gegner hoch und ließ ihn über die Köpfe der folgenden Angreifer hinwegfliegen.
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