Die letzte Schoepfung
Ruhe. »Cox wollte, dass sein Geheimnis mit mir starb, egal, wie viel es kosten würde. Kein Preis war ihm zu hoch. Sie haben dich geopfert, dein Team und…« Er hielt kurz inne. »Und deinen Sohn.«
Ethan fühlte das Deck unter seinen Füßen schwanken. »Was willst du damit sagen?«
»Ich töte keine Kinder.« Ramirez sah Ethan in die Augen, wich seinem Blick nicht aus. »Nicht einmal deines.«
»Und das soll ich glauben?«
»Glaub, was du willst.«
Ethan packte das Steuer fester, um sich einen Halt zu verschaffen. Es war eine Lüge. Ramirez wollte bloß seine Haut retten. »Was ist mit dem Brief?« Und mit der Münze, die unter Nickys Zunge geklemmt war? »In dem Brief stand, dass Sydney die Nächste auf deiner Abschussliste ist.«
»Den habe ich geschickt «, gab Ramirez zu. »Das war meine Lebensversicherung, um zu verhindern, dass du mich verfolgst.«
»Red keinen Stuss!«
Ramirez zuckte die Achseln und wandte den Blick ab.
»Warum hast du nicht Verbindung mit mir aufgenommen?«, wollte Ethan wissen. »Wenn du Nicky nicht umgebracht hast, warum hast du's mir nicht gesagt?«
Der Killer drehte sich um. Selbst in dem schwachen Licht konnte Ethan sehen, dass er wütend war. »Hättest du mir denn geglaubt?«
Nein, Ethan hätte ihm nicht geglaubt. Zu viel war zwischen ihnen geschehen, zu viel Blut war geflossen: Ethan hatte Ramirez gejagt und stattdessen ein Kind getötet. Als Vergeltung hatte Ramirez Ethans Team ausgeschaltet, einen nach dem anderen. Nicky hatte als Letzter sterben müssen – eine passendere Rache, als wäre Ethan selbst gestorben.
Auge um Auge. Das Leben eines Kindes für ein anderes.
Ramirez hatte Recht. Hätte er sich vor drei Jahren gemeldet und seine Unschuld beteuert, hätte Ethan ihn mit bloßen Händen erwürgt – mit größter Genugtuung.
Er konzentrierte sich wieder auf das Boot, während eine neue Welle der Wut in ihm aufwallte. All die Jahre hatte er Ramirez die Schuld an Nickys Tod gegeben, während es in Wirklichkeit eine Machenschaft der Firma gewesen war: Cox' verdrehtes Manöver, um Ethan anzustiften, Ramirez zu töten. Und fast hätte es geklappt.
Ethan machte volle Fahrt voraus.
30.
Plötzlich machte das Boot einen Satz und schoss vorwärts, hob den Bug aus den Wellen. In seinem Versteck in einem voll gestopften Laderaum rutschten Danny und ein Stapel Schwimmwesten nach hinten und prallten gegen eine Wand. Obwohl er genau wusste, dass Ethan ihn wegen des dröhnenden Motors nicht hören konnte, verhielt Danny sich ein paar Minuten lang absolut still. Als er keine Schritte von der Luke her vernahm, atmete er auf und schob die glitschigen Schwimmwesten von sich.
Nachdem Ethan das Motelzimmer verlassen hatte, hatte Danny fünf Minuten gewartet, dann war er ihm gefolgt. Er war durch die nassen Straßen gerannt, hatte Abkürzungen durch Gärten und über Zäune genommen. Doch seine Angst, zu spät zu kommen, hatte sich als unbegründet erwiesen. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Ethan auftauchte, und diese Zeit hätte Danny besser dazu genutzt, sich ein bequemeres Versteck zu suchen.
Zum zehnten Mal, seit er in das dunkle, muffige Kabuff im Vorderteil der Kajüte gekrochen war, versuchte er die Beine auszustrecken, schaffte es aber nicht. Vielleicht sollte er einfach aus dem Laderaum herauskriechen. Ethan würde vollauf damit beschäftigt sein, die Fahrrinne in der Meerenge zu finden, und in nächster Zeit wohl kaum in die Kajüte hinuntersteigen. Aber Danny wollte es lieber nicht darauf ankommen lassen.
Er musste den richtigen Zeitpunkt abpassen.
Wenn er zu früh aus seinem Versteck auftauchte, würde Ethan umdrehen und ihn nach Anacortes zurückbringen. Wenn er wartete, bis sie an Haven Island anlegten, würde es zu spät sein. Danny hatte Ethans Pläne mitgehört und wusste, dass es gleich nach dem Anlegen drunter und drüber gehen würde. Doch er wusste auch, dass Ethan seine Hilfe brauchte. Am besten zeigte er sich dann, wenn sie die Maschinen stoppten, um Ramirez in diese Schmugglerkammer zu verfrachten – eines der tollsten Dinge, von denen Danny je gehört hatte.
Inzwischen machte er es sich so bequem wie möglich, schob sich eine Rettungsweste als Kissen unter und benutzte die anderen als Decke, um sich zu wärmen. Trotz der beengten Lage und seines vor Aufregung pochenden Herzens musste er schließlich doch eingeschlafen sein, denn plötzlich merkte er, dass das Boot langsamer wurde und dann stoppte. Kurz darauf hörte er Schritte, die auf die
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