Die letzte Schoepfung
Kajüte zuhielten.
Jetzt oder nie!
Danny holte tief Luft, hob die Klappe seines Verstecks und richtete sich auf. Erschrocken fuhren die beiden Männer herum. Ethan richtete seine Glock auf den vermeintlichen Eindringling.
»Warte!« Danny riss die Hände hoch. »Ich bin's.«
Ethan ließ die Pistole sinken. »Was hast du hier zu suchen?«, fuhr er Danny an. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst im Motel bleiben!«
Danny schaute von ihm zu dem dunkelhäutigen Mann, dann blickte er Ethan fest in die Augen. »Callie ist meine Schwester.«
»Verdammt!« Ethan wandte sich ab, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und drehte sich wieder zu Danny um. »Was hast du dir dabei gedacht? Das ist kein Spiel, Danny. Vielleicht werden Menschen verletzt, und ich will nicht, dass du einer von ihnen bist.«
»Ich…« Die Stimme versagte ihm, so sehr schmerzte ihn Ethans Zorn. »Ich wollte doch nur helfen.«
Einen Augenblick sagte niemand etwas. Danny kämpfte gegen das plötzliche Brennen in den Augen. Ethan konnte ihn doch nicht wieder aufs Festland bringen, oder? Dazu war es zu spät.
Ramirez brach das angespannte Schweigen. »Dein Plan geht mit dem Jungen besser auf, Decker. Du lieferst ihn an sie aus – als Zeichen deines guten Willens.«
»Und riskiere, dass er dabei umgebracht wird?« Ethan richtete seine Wut nun gegen den anderen Mann. »Wir sind dabei, einen Krieg gegen diese Insel zu entfesseln, verdammt!«
»Und für die anderen Kinder soll das nicht gefährlich sein?« Ramirez machte eine Bewegung zu Danny. »Der Junge hat das Recht, dort zu sein. Sie sind seine Familie.«
Wieder senkte sich Stille herab. Danny sah, wie Ethan um eine Entscheidung kämpfte.
»Wirst du mich zurückschicken?«, fragte er und hatte Angst vor der Antwort.
Ethan schaute ihn ernst an. »Du weißt, das kann ich nicht.«
***
Ethan schob die Drossel behutsam nach vorn. Zu seiner Rechten saß Danny kerzengerade und steif im Sitz.
Ethan kämpfte mit seinen Schuldgefühlen.
Er hatte keine andere Wahl, als den Jungen mitzunehmen. Wenn sie umkehrten, musste er die Aktion für heute Nacht abblasen. Das bedeutete einen weiteren Tag in Anacortes, und das konnten sie sich nicht leisten. Mit jeder Stunde, die verstrich, wuchs die Gefahr, dass sie von einem Mitarbeiter oder Zuträger von Haven entdeckt würden. Er musste Cox überraschen – und das bedeutete, er konnte nur heute Nacht zuschlagen.
Ethan warf einen Seitenblick auf Danny.
Außerdem war der Junge fest entschlossen, bei der Befreiung seiner Schwester zu helfen, und welches Recht hatte Ethan, ihm das vorzuwerfen? So ungern er es zugeben mochte, Danny hatte es verdient, dabei zu sein. Das hieß aber noch lange nicht, dass es Ethan gefiel.
»Was hast du da im Rucksack?«, wollte er wissen.
»Nicht viel.« Die Frage schien Danny zu überraschen. »Das Übliche – paar Klamotten und meinen Gameboy.«
»Den Laptop nicht?«
»Den hab ich im Motelzimmer gelassen.«
»Das war gut. Sie sollen nämlich nicht wissen, dass wir in ihrem System herumgeschnüffelt haben. Und jetzt möchte ich, dass du das hier nimmst.« Ethan zog sein Messer. »Nur für alle Fälle.«
Dannys Augen leuchteten. »Aber brauchst du es denn nicht?«
»Mich werden sie auf jeden Fall durchsuchen, aber bei dir sind sie vielleicht nicht so gründlich. Hol mal den Erste-Hilfe-Kasten. Der ist unter dem Steuerpult. Ich werde dir das Messer auf die Rippen kleben. Vielleicht haben wir ja Glück.«
Danny fand eine Rolle weißes Heftpflaster und zog seinen Pullover hoch. Mit zwei langen Streifen klebte Ethan das Messer fest. »Ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Benutze es nur, wenn wir getrennt werden und wenn es unbedingt nötig ist.« Und dann wiederholte er die Worte seines Bruders, gesprochen vor vielen Jahren: »Verrate es keinem.«
Danny nickte.
»Das ist sehr wichtig, Danny. Wenn die Wärter rauskriegen, dass du ein Messer hast, ist es weg.«
»Ich verstehe.«
»Wenn wir anlegen, folgst du mir und tust genau, was ich sage.« Sie näherten sich der Insel. Eine kleine geschützte Bucht an der Südküste tauchte langsam aus der dunklen Masse des Landes auf. Ethan drosselte die Geschwindigkeit. »Und sei nicht überrascht, wenn ich irgendetwas Seltsames sage oder tue. Denk immer daran, dass wir hier sind, um…«
Gleißendes Scheinwerferlicht schnitt seine Worte ab, und eine körperlose Stimme dröhnte durch einen Lautsprecher. »Motorjacht Sea Devil, Sie befahren unerlaubt private Gewässer. Drehen Sie sofort
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