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Die letzte Schöpfung

Die letzte Schöpfung

Titel: Die letzte Schöpfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Lewin
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sämtliche Stricke rissen. Er und seine fünf Leute hatten ihr Leben dem Wohl des Landes verpfändet, doch im Grunde traute keiner von ihnen jenen Menschen, von denen sie ihre Befehle erhielten.
    Zusammen hatten sie dieses Wüstental ausgesucht, weil es weit abgelegen war und von der Felswand im Rücken geschützt wurde. Hier waren sie ungestört. Einen Zugang gab es nur über eine einzige Straße – falls man sich nicht zwei Tage lang durch heißen Sand quälen wollte.
    Eine gute Wahl. Und doch waren sie hier nie mehr zusammengekommen. Sie hatten diesen Ort nicht mehr gebraucht – bis zum Ende. Dann hatte es keiner mehr geschafft. Außer Ethan.
    Immer noch schmerzte die Erinnerung an jene ersten Monate, als er gewartet und wider jede Vernunft gehofft hatte, wenigstens einer aus seinem Team möge der Rache des Spaniers entkommen sein. Schließlich aber hatte er sich damit abgefunden, der einzige Überlebende zu sein. Doch auch Anna hatte überlebt, und das nagte an ihm, warf Fragen auf, denen er sich stellen musste. Zum Beispiel, warum sie so lange gewartet hatte, bis sie ihn in seiner Wüstenei aufsuchte.
    Darüber kannst du dir später den Kopf zerbrechen, sagte sich Ethan, wenn die Kinder in Sicherheit gebracht sind. Dann würde er nachforschen, wie Anna es geschafft hatte, Ramirez zu entkommen.
    Mit der Taschenlampe, die in der Nähe des Höhleneingangs versteckt gewesen war, leuchtete er voraus und schritt tiefer in die Finsternis hinein.
    Das Beste an diesem Schlupfwinkel waren die verschlungenen Tunnel unter dem rauen Fels. Dort konnte ein in die Enge getriebener Mensch immer noch entkommen oder etwas verstecken, das seine Feinde auf keinen Fall finden sollten. Als Ethan sein selbst gewähltes Exil antrat, hatte er in der Höhle einen Matchsack versteckt – als Versicherung für eine ungewisse Zukunft. Doch dann waren die schlaflosen Nächte sein neuer Feind geworden, und nur die Einsamkeit der Wüste hatte ihm Trost spenden können. Nie wieder hatte er den Sack angerührt, meistens sogar vergessen, dass es ihn gab – und das war wahrscheinlich gut so. Sonst hätte er vielleicht den Inhalt verschwendet, und nun brauchte er dringend Bargeld, einen Pass und Waffen.
    Eine Viertelstunde später kam er zurück und sah Danny und Callie Vorräte in den Pick-up laden. Außer den Wasserflaschen hatten sie alle nur verfügbaren Lebensmittel mitgenommen, die auf Ethans nahezu leeren Regalen lagen. Dazu einen alten Erste-Hilfe-Kasten, an den er gar nicht mehr gedacht hatte, eine Taschenlampe, ein Seil und ein paar Decken.
    Ethan musste zugeben, dass die Kinder clever waren. Allerdings mussten dem Jungen bessere Manieren beigebracht werden. Ethan warf den Matchsack in den Wagen. »Rein mit euch!«
    »Wohin fahren wir?«, fragte Danny.
    »Weg.« Ethan wollte sich hinters Lenkrad klemmen, als er Annas Ledertasche auf dem Sitz sah. »Wartet mal einen Moment.« Er zog ihr Handy heraus und drückte auf die Wahlwiederholung. Die Chance war nur gering, dennoch konnte Annas letzter Anruf vielleicht etwas verraten. Nach fünfmaligem Klingeln schaltete sich ein Anrufbeantworter ein. Ethan kannte die Frauenstimme. Ihm wurde schwindelig.
    »Leider ist zurzeit niemand zu erreichen«, sagte die Stimme. »Hinterlassen Sie bitte Ihren Namen und Ihre Telefonnummer, wir rufen so schnell wie möglich zurück.«
    Sydney.
    Anna hatte seine Frau angerufen. Seine Exfrau. Und nur ihre Stimme zu hören weckte wieder Ethans Verlangen und die peinigende Schuld, die ihn seit Nickys Begräbnis plagten – seit jenem Tag, als er Sydney verlassen hatte.
    Auge um Auge, das Leben eines Kindes für ein anderes.
    Diese Worte, die Ethan einst im Morgengrauen ins Ohr geflüstert worden waren, gingen ihm nun quälend durch den Kopf.
    Ein Leben für ein anderes.
    Ramirez hatte ein Kind verloren und dafür Ethans Kind genommen. Die Schuld war beglichen. Nur hatte Ramirez noch etwas versprochen: Er wollte ein zweites Leben nehmen.
    Sydneys.
    Sie war in Sicherheit, solange Ethan Distanz zu ihr wahrte. Dies war das Ende von Ramirez' Botschaft gewesen. »Geh fort, amigo«, hatte die Stimme in der Dunkelheit geflüstert, »dann wird es ein Ende haben.«
    Und Ethan hatte verstanden. Natürlich konnte er Ramirez jagen und ihn aufstöbern; keiner von beiden zweifelte daran. Aber die Kugel eines Killers fand erschreckend leicht ihr Ziel. Konnte Ethan Ramirez aufhalten, bevor dessen Kugel Sydney traf?
    Dieses Risiko wollte Ethan nicht eingehen. Und so verließ er

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