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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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schüchtern. Nicht die Art Mensch, die plötzlich in eine gefährliche Situation gerät.«
    »Aber gerade diesen Menschen kann genau das passieren«, sagte Marc, »dass sie Opfer von irgendwelchem Gesindel werden. Elaine erschien mir äußerst unerfahren. Keine Ahnung von der Welt, vom Leben. Natürlich voller Angst, aber zugleich zu unwissend, echte Gefahren auch wirklich zu erkennen. Elaine ist – oder war – durchaus jemand, den sich einer aussuchen könnte, der Böses im Schilde führt.«
    »Aber weshalb? Ich meine, was kann man denn gegenüber Elaine Böses im Schilde führen?«
    Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Das müsste gar nichts mit ihr zu tun gehabt haben. Es gibt Menschen, die brauchen einfach nur ein Opfer. Egal, welches. Es geht nicht um das Opfer als Person, es geht nur um seinen Status als Opfer. Elaine könnte zu so etwas eingeladen haben. Aber auch das ist natürlich eine reine Vermutung.«
    »Gut, unterstellen wir, sie hat sich auf den falschen Mann eingelassen«, sagte Rosanna, »sie ist mit ihm durchgebrannt damals. Und irgendwann in den vergangenen fünf Jahren ist etwas passiert. Etwas, das zur Bedrohung wurde. Weshalb ist sie dann nicht zur Polizei gegangen?«
    »Weil sie vielleicht wusste, dass das in manchen Fällen nichts nützt«, sagte Marc. »Ich bin Anwalt, ich kenne mich nur zu gut aus. Sie mag an einen Psychopathen geraten sein, der aber noch nichts angestellt hat, was rechtfertigen würde, ihn festzusetzen. Sie spürt, dass er eine Gefahr für sie darstellt, aber es ist nun einmal so, dass die Polizei erst dann aktiv werden kann, wenn sich jemand etwas hat zuschulden kommen lassen. Manchmal bleibt dem Opfer dann wirklich nichts übrig, als sich zu verstecken.«
    »Das würde aber bedeuten, dass Elaine, ausgerechnet Elaine, ein paar Mechanismen, nach denen das Leben läuft, ganz gut begriffen hat.«
    »Fünf Jahre sind eine lange Zeit. Den Schutz von Kingston St. Mary hatte sie verlassen. Sie hat vielleicht eine Art Crashkurs durchlaufen, was die Einschätzung der Realität betrifft. Die Elaine von heute hat möglicherweise kaum noch etwas gemein mit der Elaine von damals. Nicht nur, was ihr Körpergewicht angeht.«
    Rosanna nickte nachdenklich. »Und warum ändert sie dann nicht ihren Namen? Das hätte doch weit mehr Schutz bedeutet!«
    »Das ist nicht so einfach. In den meisten Fällen muss man sich ausweisen, um eine Wohnung oder einen Job zu bekommen. Das bedeutet, sie hätte sich falsche Papiere beschaffen müssen. Wie soll ein Mädchen wie Elaine das bewerkstelligen?«
    »Schwer vorstellbar«, stimmte Rosanna zu, »aber schließlich ist das alles mehr als verwirrend. Kaum mit meiner Elaine von damals in Einklang zu bringen.«
    »Vielleicht sollten wir aufhören, Spekulationen anzustellen«, meinte Marc, »es führt zu nichts und verwirrt uns nur. Wahrscheinlich müssen wir uns einfach damit abfinden, zu spät gekommen zu sein. Die in Langbury untergetauchte Elaine Dawson haben wir haarscharf verpasst und finden sie wohl auch nicht mehr. Pech gehabt. Vielleicht war sie es, vielleicht auch nicht. Wir werden den Fall auf sich beruhen lassen müssen.«
    Rosanna blieb stehen. »Ich wundere mich, dass Sie das so gelassen sehen können. Für Sie geht es um viel mehr als für mich. Elaine zu finden, hätte volle Rehabilitierung für Sie bedeutet. Aber ich habe den Eindruck, mich macht es verrückter, sie so knapp verfehlt zu haben, als Sie!«
    Auch Marc blieb stehen. »Rosanna, ich will gar nicht abstreiten, dass ich große Hoffnungen gehegt hatte. Aber ich versuche auch, die ganze Angelegenheit realistisch zu sehen. Die Wogen im Fall Dawson haben sich wirklich geglättet. Es ist nicht mehr so, dass mir auf Schritt und Tritt Misstrauen entgegenschlägt. In meinem Umfeld interessiert sich kein Mensch mehr für diese Angelegenheit. Sie jetzt zu finden, würde gar nicht so viel ändern für mich.«
    Sie sah an ihm vorbei, weil sie wusste, dass sie einen wunden Punkt berührte. »Aber Ihrem Sohn … Ihrem Sohn könnten Sie den Beweis erbringen. Wäre Ihnen das nicht wichtig?«
    Er schwieg so lange, dass sie schon fürchtete, zu weit gegangen zu sein.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie hastig, »ich hätte vielleicht …«
    »Schon in Ordnung«, unterbrach er, »Sie haben ja recht. Mein Sohn wäre es wert gewesen. Obwohl auch das möglicherweise nichts mehr geändert hätte.«
    Sie gingen weiter, fröstelnd im scharfen, kalten Nordostwind, und auf einmal kam Rosanna der Strand

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