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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Patrick derartigen Ansinnen heftig, aber diesmal nickte er. »Klar. Mach ich.«
    Gefolgt von den beiden Polizisten, verließ auch Sally die Küche. Angela starrte ihnen nach. Zum ersten Mal in ihrem Leben verspürte sie das Bedürfnis, niederzuknien und laut zu beten, nicht nur leise und heimlich für sich. Sie tat es nicht. Es war nicht üblich in ihrer Familie, und sie hatte Angst, ihr Bruder könnte sie auslachen.
     
    7
     
    Es war kurz vor sieben, und Rosanna hatte sich gerade für die Verabredung mit Marc Reeve umgezogen, als ihr Handy klingelte. Einen Moment lang fürchtete sie, es könnte Reeve sein, der ihr absagen wollte, weil er es sich doch anders überlegt hatte, aber dann erkannte sie auf dem Display ihre eigene Telefonnummer in Gibraltar. Dennis. Endlich. Sein Schweigen hatte über vierundzwanzig Stunden gedauert, und sie war allmählich nervös geworden. Konnte er so böse auf sie sein?
    »Hallo?«, meldete sie sich.
    Nach einem kurzen Moment der Stille kam von der anderen Seite zögernd: »Rosanna?«
    Robert. Es war Robert, nicht Dennis. Sie war enttäuscht, zugleich aber entschlossen, es nicht zu zeigen.
    »Robert! Wie schön, dass du anrufst! Wie geht es dir?« Sie klang zu munter, das merkte sie selbst. Ob er wusste, dass sein Vater und seine Stiefmutter Krach miteinander hatten?
    »Schon okay«, sagte er in dem coolen Ton, den sein Alter nun einmal verlangte. »Und wie ist es bei dir?«
    »Auch alles okay. Das Wetter ist unmöglich, aber das erwartet man ja von England.«
    »Dad sagt immer, in England kann man nicht leben, weil das Wetter so schlecht ist«, meinte Robert.
    »Ich weiß.« Sie gab sich einen Ruck. Ihr Stiefsohn rief bestimmt nicht an, um mit ihr über das Wetter zu sprechen, offenbar wusste er aber auch nicht so recht, wie er zur Sache kommen sollte.
    »Rob, dein Dad und ich haben Streit im Moment«, sagte sie, »ich hoffe, er ist nicht allzu schlechter Laune?«
    Rob war sichtlich erleichtert, dass sie das heikle Thema angeschnitten hatte. »Er hat eine Scheißlaune.« Obwohl er sich bemühte, ungerührt zu wirken, klang er bedrückt. »Ich darf überhaupt nichts mehr. Am Wochenende ist eine Party von den Abschlussklassen in der Schule. Ein paar von uns sind dazu eingeladen. Jetzt hat er gesagt, ich darf nicht hingehen.«
    »Oh – Rob! Das ist hart für dich, ich weiß. Aber seid ihr nicht tatsächlich noch ein bisschen jung dafür? Ich meine, die Abschlussklassen… die sind doch alle ein ganzes Stück älter!«
    »Die sind achtzehn! Ich bin sechzehn! Wo ist da der Unterschied?«
    »Zwei Jahre, Rob. Zwei Jahre sind der Unterschied!«
    »Die anderen dürfen. Nur ich nicht. Dad ist einfach …« Er suchte nach Worten. Offenbar fiel es ihm schwer, einen Begriff zu finden, der auch nur annähernd wiedergab, wie unmöglich sich sein Vater verhielt. »Dad ist einfach gemein«, sagte er schließlich, aber man spürte, dass ihm dieser Begriff viel zu schwach erschien.
    Es war das alte Lied. Rosanna konnte Dennis' Sorgen und Vorbehalte durchaus verstehen und nachvollziehen, aber sie wusste auch, in welchem Ton er sein Verbot vermutlich wieder einmal hervorgebracht hatte. Das Problem mit Dennis war nicht, dass er seinen Sohn vor Gefahren schützen wollte, sondern die Art, wie er das tat. Wenn Dennis an eine Party der Abschlussklasse dachte, kamen ihm nur negative Assoziationen in den Sinn, wie: Alkohol, Drogen, unkontrollierter und ungeschützter Sex. Aus Gründen, über die sich Rosanna noch nicht wirklich klar war, gelang es ihm nicht, mit seinem Sohn darüber ein ruhiges und sachliches Gespräch zu führen, in dessen Verlauf Robert vielleicht etwas von den Ängsten seines Vaters begriffen hätte. Er konnte ihm nur das Verbot hinknallen, schroff, in scharfem Ton, hinter jedem Satz ein unausgesprochenes und dennoch unmissverständliches Keine Widerrede! Die Eskalation zwischen den beiden war jedes Mal vorprogrammiert. Meist gelang es dann nicht einmal mehr Rosannas Diplomatie, all die Scherben auch nur halbwegs zu kitten.
    »Dein Dad ist nicht gemein, Robert«, sagte sie, »das darfst du nicht denken. Es ist nur … er macht sich Sorgen. Kannst du das gar nicht verstehen? Er hat Angst, dass du zu viel trinkst. Dass die alle zu viel trinken. Dass sich die Älteren mit euch in ihre Autos setzen und betrunken losrasen. Er hat Bilder vor Augen, die ihn tief beunruhigen.«
    »Aber …«
    »Dein Dad liebt dich, Rob. Er hat manchmal eine schwierige Art, aber er liebt dich wirklich. Sehr.«
    Rob

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