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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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meinem Versprechen, Mr. Reeve. Ich sitze hier als eine Freundin – oder besser: gute Bekannte – von Elaine Dawson. Nicht als Journalistin.«
    Obwohl er endlich einmal ein leichtes Lächeln zeigte, das geeignet war, der Situation etwas von ihrer Spannung zu nehmen, hatte Rosanna nicht den Eindruck, dass er auch nur die Spur gelöst war. Es war nicht so, dass er ihr kein Wort geglaubt hätte, aber er war auch weit davon entfernt, ihr wirklich zu vertrauen. Plötzlich fragte sie sich, weshalb er überhaupt zu dem Gespräch mit ihr erschienen war. Konnte er nicht nach seiner Vorstellung dabei nur verlieren?
    Er schien ihre Gedanken zu erraten, denn er sagte auf einmal: »Ich will ganz ehrlich sein, Mrs. Hamilton. Ich habe mich wirklich schwergetan nach Ihrem Anruf. Es gibt kaum etwas auf der Welt, das ich so wenig möchte wie das Wiederaufwärmen dieser Geschichte von damals. Aber letztlich habe ich mir gedacht …« Er stockte.
    »Ja?«, fragte Rosanna.
    Er gab sich einen Ruck. »Ich sagte ja schon, ich habe Verständnis für Ihr persönliches Anliegen. Aber darüber hinaus hat mich auch der Gedanke bewogen, dass Sie ja in jedem Fall für Cover die Geschichte schreiben werden. Wenn ich meine Mitarbeit nicht gänzlich verweigere, habe ich eine gewisse Chance, etwas Einfluss zu nehmen. Vielleicht. Andernfalls habe ich jedenfalls gar keine.«
    »Sie sind sehr aufrichtig«, sagte Rosanna. Nach einem Moment des Schweigens fügte sie hinzu: »Und Sie sind ein ganz schön gebranntes Kind, habe ich den Eindruck.«
    Er lächelte wieder, bitter diesmal. »Im Januar vor fünf Jahren hatte ich das Pech, in der Tür einer der Herrentoiletten in Heathrow mit einer in Tränen aufgelösten jungen Frau buchstäblich zusammenzustoßen. Ich hätte sie stehen lassen und weitergehen können. Ich hatte nichts mit ihr zu tun, und sie ging mich nichts an. Aber sie weinte so heftig, so … hoffnungslos, dass ich sie fragte, ob ich irgendetwas für sie tun könne. Das Einzige, was ich dann tatsächlich tun konnte, war, ihr einen Schlafplatz für die Nacht anzubieten. Unglücklicherweise nahm sie mein Angebot an. Und danach… war nichts mehr wie vorher.«
    Ein Ober brachte das Essen. Es duftete verlockend.
    »Ich habe riesigen Hunger«, sagte Rosanna.
    Er nickte. »Ich auch. Meine erste richtige Mahlzeit heute.«
    »Meine auch«, sagte Rosanna. Statt ordentlich zu Mittag zu essen, habe ich mich mit deinem Exnachbarn über dich unterhalten, dachte sie beschämt. Sie hoffte, Reeve würde davon nie etwas erfahren.
    Nachdem sie ein paar Minuten gegessen hatten, fragte Reeve übergangslos: »Wieso glauben eigentlich alle, dass Elaine damals etwas zugestoßen ist?«
    »Glauben das alle?«, fragte Rosanna zurück.
    Er nickte. »Einige jedenfalls. Miss Dawsons Bruder allen voran. Er ist ja felsenfest überzeugt davon. Die Polizei zog es zumindest in Erwägung, was natürlich zu ihrem Job gehört. Die Presse fuhr völlig auf dieser Schiene, aber … na ja, Mord verkauft sich natürlich auch besser als ein bloßes Verschwinden.«
    »Wahrscheinlich konnte sich niemand so recht erklären, wohin Elaine so spurlos verschwunden sein sollte. Und warum. Ich meine … auch ich kann mir nicht vorstellen …«
    Er unterbrach sie. »Aber Sie haben sie doch gekannt. Wer sie gekannt hat, muss doch gewusst haben, wie verzweifelt unglücklich sie war in ihrem Leben. Mir, einem Fremden, hat sie das jedenfalls sofort erzählt. Gefesselt an ihren Bruder. Gefesselt an dieses Dorf. Sie sah keine Perspektive in diesem Leben. Für mein Gefühl war sie eine Frau, die von nichts so sehr träumte wie von einem Ausbruch.«
    »Aber …«
    Er ließ seine Gabel sinken. »Warum hat sich niemand gesagt, dass sie doch höchstwahrscheinlich mit ihrem Freund davongelaufen ist? Und sich vor ihrem Bruder versteckt hält? Ganz einfach.«
    Rosanna starrte ihn entgeistert an. »Freund? Elaine hatte einen Freund ?«
    Er schien überrascht. »Wussten Sie das nicht?«
    »Nein. Nein, ich hatte keine Ahnung.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Mir hat sie jedenfalls erzählt, dass sie einen hatte. Und dass sie ihn ihrem Bruder gegenüber nicht erwähnen darf. Und dass sie im Grunde nur noch weg möchte. Wissen Sie, ehrlich gesagt, als ich hörte, dass sie verschwunden ist, habe ich mich eigentlich keinen Moment lang gewundert.«
    Rosanna saß wie vor den Kopf geschlagen da. Es hatte einen Mann in Elaines Leben gegeben.
    Sie fand, das veränderte alles.

Mittwoch, 13. Februar
     
    1
     
    In der

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