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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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mich stören könntest«, sagte er denn auch sofort und fügte im selben Atemzug hinzu: »Hast du mit Reeve, dem Schwein, gesprochen?«
    »Ja, gestern Abend. Es war ein langes Gespräch.«
    »Ach, tatsächlich? Hat er sich herabgelassen? Er scheint sich ja ausgesprochen sicher zu fühlen. Na ja, kein Wunder. Im Grunde kräht kein Hahn mehr nach Elaine. Haben sich ja alle mit ihrem Verschwinden abgefunden. Kann ja mal passieren, dass eine Frau so ganz einfach verschwindet. Sollte man nicht zu ernst nehmen!«
    »Geoffrey«, sagte Rosanna, »wusstest du, dass Elaine einen Freund hatte?«
    Kurzes konsterniertes Schweigen. Dann fragte Geoffrey: »Wie – einen Freund? Du meinst …?«
    »Einen Mann. Einen … Liebhaber. Eine Beziehung. Sie hat Reeve davon erzählt. An jenem Abend.«
    »Die alte Geschichte«, sagte Geoffrey, »mit der kam er doch schon damals an.«
    »Damals?«
    »Er hat damals schon der Polizei in seiner Befragung von diesem ominösen Freund erzählt. Die Beamten haben mich darauf angesprochen. Und meine Antwort lautete schon damals: Nein.«
    »Das Nein bezog sich auf die Frage, ob du davon wusstest, oder …«
    »Das Nein bezog sich auf die Frage, ob es einen Mann in ihrem Leben gab. Nein, es gab keinen . Reeve hat sich die Geschichte ausgedacht, um von sich abzulenken. Keine dumme Idee, aber nicht umsonst ist der Mann ein gerissener Anwalt. Er erfindet ein Phantom, und schon bekommt der Fall ein anderes Gesicht. Denn nun glaubt jeder, Elaine sei mit ihrer großen Liebe durchgebrannt. Und schon ist Reeve aus dem Schneider.«
    Rosanna zögerte. Sehr vorsichtig fragte sie dann: »Der Gedanke, sie könnte die Existenz dieses … Freundes für sich behalten haben, ist für dich ausgeschlossen?«
    »Du meinst, sie hatte einen Freund, von dem sie mir nichts erzählt hat? Aber dann trifft sie einen wildfremden Typen auf dem Flughafen, und dem schüttet sie sogleich ihr Herz aus? Entschuldige, aber das ist doch absurd.«
    Rosanna schwieg. Nicht weil er sie überzeugt hätte, sondern weil sie begriff, dass ein sachliches Gespräch mit ihm kaum möglich sein würde. Geoffrey war nicht im Mindesten geneigt, auch unangenehmen Tatsachen möglicherweise ins Gesicht zu sehen. Wahrscheinlich war es ihm völlig unmöglich, sich selbst einzugestehen, wie sehr er Elaine unter Druck gesetzt, mit welch unnachgiebiger Härte er sie an sich gefesselt hatte. Dass sich Elaine womöglich jenseits des tristen Alltags einer Pflegerin ein anderes Leben aufgebaut und sorgfältig vor ihm verborgen haben könnte, war für ihn undenkbar, und sich mit dieser Möglichkeit auch nur ansatzweise zu konfrontieren, hätte ihn den letzten Rest an seelischer Stabilität gekostet, um die er wahrscheinlich mühsamer rang, als es irgendjemandem in seiner Umgebung bewusst war.
    Sie dachte an ihr Gespräch mit Marc Reeve am Abend zuvor.
    »Haben Sie der Polizei nicht von der Möglichkeit erzählt, dass Elaine mit ihrem Freund durchgebrannt ist?«, hatte sie gefragt. »Haben Sie überhaupt diesen unbekannten Freund bei der Polizei erwähnt?«
    Reeve hatte genickt. »Natürlich. Aber da lag eben das Problem: der unbekannte Freund. Niemand hatte je von ihm gehört. Es gab keinen Namen, keine Beschreibung. So sehr ins Detail ist sie mir gegenüber ja auch nicht gegangen. Man hat dann mit ihrem Bruder gesprochen, der vehement abstritt, dass es da jemanden gegeben haben könnte. Unglücklicherweise wussten auch ihre Kollegen in der Praxis, in der sie arbeitete, nicht Bescheid. Der Freund blieb ein Phantom – eine Spur, die ins Nichts führte.«
    »Rosanna!«, sagte Geoffrey nun eindringlich und riss Rosanna aus ihren Gedanken. »Hör mal zu, lass dich von Reeve nicht einwickeln! Es gab keinen Mann in Elaines Leben. Ich hätte das gewusst. Irgendjemand hätte es gewusst. Du kannst in ganz Kingston St. Mary und Taunton herumfragen, du wirst niemanden treffen, der sie je mit einem Mann gesehen hat. Ich meine, das ist doch seltsam, oder? So eine Beziehung verläuft doch nicht derart unsichtbar!«
    Es sei denn, Elaine hat alles getan, sie vor dir geheim zu halten, dachte Rosanna, und dafür zu sorgen, dass dir auch von dritter Seite nichts darüber zugetragen wird. So etwas funktioniert wahrscheinlich nicht über einen allzu langen Zeitraum, aber eine Weile kann es gutgehen.
    »Rosanna, Reeve ist ein Verbrecher! Er ist ein gut aussehender, interessanter Mann, und wahrscheinlich bist du schon völlig …«
    »Unsinn. Geoffrey, bitte glaube mir, ich kann das

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