Die Letzte Spur
natürlich solche, mit denen sie in den letzten Monaten verstärkt zusammen war. Aber auch aus der Zeit davor, versteht sich. Glauben Sie, dass Sie mir eine Liste anlegen können?«
Wie auf ein geheimes Kommando hin schauten alle Angela an. Diese fuhr sich mit der Hand über die geschwollenen Augen.
»Ich kann das machen, ja. Ich glaube, ich… ich weiß am besten Bescheid.«
»Sie hatten ein enges Verhältnis zu Ihrer Schwester?«, fragte Fielder.
Angela zuckte mit den Schultern. »Eigentlich ja. Im letzten halben Jahr … nicht mehr so.« »Woran war das feststellbar?«
»Sie hat mir früher immer ganz viel erzählt. Nächtelang. Wir … hatten ein Zimmer zusammen. Manchmal hab ich gesagt, sei doch endlich still, ich muss schlafen. Aber sie fing immer wieder an. Sie… freute sich so sehr an allem. Sie brauchte jemanden, der sich mit ihr freute.«
»Ich verstehe«, sagte Fielder. Er überlegte und wandte sich dann an Gordon. »Mr. Biggs, wie ich dem Bericht von Constable Burns entnommen habe, sprachen Sie bei dessen Besuch davon, dass Ihre Tochter… nun, dass es recht zahlreiche Männerbekanntschaften in ihrem Leben gab. Sie waren sogar ziemlich sicher, dass sie sich bei einem Mann aufhielt. Haben Sie da Namen und Adressen?«
Gordon hob schwerfällig den Kopf. »Da war doch dieser… wie hieß er denn? Ben. Ben Brooks. Der wohnt einen Block weiter.«
»Er war ihr Freund?«
Gordon nickte. »Der war ihr Freund, ja. Ganz netter Kerl. Aber unbrauchbar.« »Unbrauchbar?«
»Keine Lehrstelle. Zu viel Alkohol. Keine Zukunft. Verstehen Sie?«
Fielder nickte. Er verstand. Ben Brooks war einfach wie die meisten in der Gegend.
»Mit Ben war sie zwei Jahre zusammen. Vor einem halben Jahr hat sie sich von ihm getrennt.«
»Vor einem halben Jahr …«, wiederholte Fielder nachdenklich. »Und vor einem halben Jahr etwa hörte sie auch auf, sich Ihnen so rückhaltlos wie gewohnt anzuvertrauen, Miss Biggs. Wissen Sie, warum sie sich getrennt hat?«
Angela schüttelte den Kopf. »Sie hatte mir zuerst gar nichts davon erzählt. Ich habe Ben getroffen, und der fragte mich ganz verzweifelt, was los sei. Linda hatte ihm Knall auf Fall die Beziehung aufgekündigt und ihm nicht einmal Gründe genannt. Sie hätte einfach keine Lust mehr, so hat sie gesagt. Ben dachte, ich wüsste Näheres, aber ich hatte keine Ahnung.«
»Sie haben Ihre Schwester aber sicher gefragt?«
»Klar. Sie meinte nur, Ben sei ein Milchbubi, so drückte sie es aus. Kein richtiger Mann. Mit Milchbubis wollte sie sich nicht länger abgeben.«
»Wie alt ist Brooks?«
»Achtzehn. Er ist wirklich nett. Mit ihm hatte sie keinen schlechten Griff getan.«
»Er is 'n Versager«, brummte Gordon, »'n netter Versager. «
»Die anderen Männer…?«, hakte Fielder vorsichtig nach.
Angela warf ihrem Vater einen zornigen Blick zu. »Dad hat das einfach immer unterstellt. Dass sie in ganz London herumschläft, wie er sagte. Das stimmte überhaupt nicht. Sie war Ben in den zwei Jahren nicht immer treu. Auf irgendeiner Party hat sie es mal mit einem Typen auf der Toilette getrieben. Und einmal hat sie einer bei Boots angequatscht, und mit dem hatte sie zwei Wochen lang was nebenher laufen. Das war's aber auch schon.«
»Zumindest soweit Sie das wissen?«
»Sie hat mir alles erzählt«, beharrte Angela.
»Mr. Biggs, Sie haben auch keine konkreten Anhaltspunkte für die angeblich so zahlreichen Männerbekanntschaften Ihrer Tochter?«, fragte Fielder.
Gordon knurrte etwas Unverständliches.
»Dad fand ihre Aufmachung unmöglich«, sagte Angela, »er sagte, sie sieht aus wie eine …«
Sally, die bislang geschwiegen hatte, fuhr mit unerwarteter Schärfe dazwischen. »Nein! Sag es nicht! Sag nie wieder dieses Wort über deine Schwester!«
» Er hat es immer gesagt«, verteidigte sich Angela. Sie hatte rote Wangen bekommen. »Er hat gesagt, sie sieht aus wie … so eine , und deshalb benimmt sie sich auch wie so eine .«
»Also, ihre Aufmachung«, begann Gordon, aber Fielder unterbrach rasch das heikle Thema. »Es gibt jedenfalls keine weiteren Namen von Männern, mit denen sie Affären hatte?«
»Nein«, sagte Angela.
»Nein«, räumte Gordon ein.
»Wir werden natürlich mit Ben Brooks sprechen«, sagte Fielder, »ebenso mit Freunden, Bekannten, Nachbarn. Jedes noch so kleine Mosaikteilchen kann wichtig sein, aber das ist Ihnen sicher klar. Für mich ergibt sich vorläufig die Vermutung, dass sich vor etwa einem halben Jahr, also ungefähr im August des
Weitere Kostenlose Bücher