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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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schwieg.
    »Ja?«, fragte Rosanna.
    »Also, die hätten auch noch gern Geoffrey Dawson in der Sendung. Der Bruder, der im Pflegeheim dahinvegetiert. Du verstehst schon. Allerdings habe ich schon gesagt, dass …«
    »Nick, das ist ausgeschlossen!«, sagte Rosanna sofort. Sie konnte sich einen Auftritt Geoffreys, gespickt mit Anschuldigungen und Hasstiraden gegen Marc Reeve, nur allzu gut vorstellen. Sein Erscheinen in der Sendung käme einem einzigen Rachefeldzug gleich. Für Marc Reeve wäre es eine Wiederholung seines persönlichen Albtraums.
    »Ich weiß. Das schafft der Mann überhaupt nicht«, sagte Nick, »das habe ich der Redakteurin bereits klargemacht.«
    Rosanna wusste, dass Geoffrey dies sehr wohl schaffen, dass er geradezu nach dieser Bühne lechzen würde und notfalls von Taunton bis London im Rollstuhl angefahren käme, wenn er irgendwo die Möglichkeit witterte, dem verhassten Reeve eins auszuwischen. Aber es erschien ihr besser, dieses Wissen für sich zu behalten. Mochten Nick und die Leute vom Fernsehen ruhig glauben, Geoff sei mit dem Auftritt in einer Live-Sendung einfach überfordert.
    »Na ja, auf jeden Fall bedeutet das einen schönen Zugewinn für die Auflage von Cover «, fuhr Nick fort, »und das ist die Hauptsache. Ich werde dich zum Sender begleiten, Rosanna. Wir müssen etwa zwei Stunden vor Beginn da sein. Vorbesprechung, Maske und so weiter. Du bist doch nicht nervös?«
    »Nein«, sagte Rosanna. Sie war auch nicht wirklich nervös. Es war mehr eine Art seltsames Unbehagen, das sich in ihr ausbreitete. Als ob die ganze Geschichte mit dieser Fernsehsendung unübersehbare Ausmaße annahm. Am Ende nicht mehr kontrollierbar sein würde.
    Sie kannte Nick gut genug, um zu wissen, dass es überhaupt keinen Sinn hatte, ihm das Zusammenspiel mit Private Talk ausreden zu wollen. Nick hatte immer und in erster Linie die Auflage seines Blattes vor Augen. Die gigantische, kostenlose Werbung, die einem Fernsehauftritt entsprang, würde er sich nicht entgehen lassen, weil eine Mitarbeiterin ein unbehagliches Gefühl dabei hatte. Im Grunde musste sie das Gute bei all dem sehen und dankbar sein, dass er sich nicht mit Geoffrey Dawson direkt in Verbindung gesetzt und ihn fürs Mitmachen gewonnen hatte. Ihren eigenen Auftritt konnte sie zumindest steuern.
    »Also dann, Freitagabend«, sagte Nick und legte auf.
    Sie starrte ihr Handy an und dachte: Wie bringe ich das jetzt Marc Reeve bei?
    Auf der M11 hatte es einen Unfall gegeben, und offenbar hatte die Polizei die gesamte Fahrbahn gesperrt, denn seit über einer Stunde bewegte sich nicht ein einziges Auto. Mehrere Polizei- und Krankenwagen sowie zwei Feuerwehrautos waren über die Standspur gerast, so dass man sich ausrechnen konnte, dass es heftig gekracht haben musste. Schließlich tauchte auch noch ein Hubschrauber am Himmel auf.
    Na, dann gute Nacht, dachte Cedric ergeben.
    Etliche Leute waren aus ihren Autos gestiegen, standen frierend auf der Fahrbahn herum, unterhielten sich, gingen auf und ab, versuchten ihre Nervosität wegen der aufgezwungenen Wartezeit irgendwie in den Griff zu bekommen. Bei den meisten handelte es sich um Pendler, die auf dem Weg zur Arbeit nach London waren, bei denen nun wichtige Termine platzten und der ganze Tagesplan durcheinandergeriet. Etliche hielten ihre Handys am Ohr und redeten hektisch auf eine Person am anderen Ende der Verbindung ein. Cedric, der keine Lust hatte, in der klammen Kälte des Februarmorgens herumzustehen und sich lieber in seinem warmen Autositz zurücklehnte, dachte, dass er sich wirklich nicht beklagen musste. Der Stau war ärgerlich, aber es gab absolut nichts, was er deswegen verpasste. Auf ihn wartete ein Hotelzimmer, ein Mittagessen irgendwo um die Ecke, vielleicht mit Rosanna zusammen, wenn sie Zeit hatte. Der Nachmittag war noch nicht verplant. Letztlich war es egal, ob er ihn auf der M11 verbrachte oder anderswo.
    Aber seltsamerweise fühlte er sich mit diesem Gedanken kein bisschen besser oder entspannter. Ganz im Gegenteil.
    Er betrachtete die entnervten Menschen um sich herum und stellte zu seiner Verwunderung plötzlich fest, dass er sie beneidete.
    Um die Struktur in ihrem Leben, um die Wichtigkeit und den Sinn dessen, was sie taten, um die Ziele, die sie alle zu haben schienen.
    Eigentlich hatte er sich schon die ganze Nacht mit ähnlichen Gedanken herumgeschlagen. Er hatte eine Kommilitonin von früher besucht, die in Royston bei Cambridge wohnte. Ein beschauliches kleines Dorf,

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