Die Letzte Spur
Mr. Cadwick.
Mrs. Smith-Hyde, die Besitzerin des Hauses, musste an die sechzig Jahre alt sein und war alles andere als freundlich, aber wenigstens würde sie ihr nicht nachstellen und sich vermutlich auch nicht allzu sehr in ihre Belange einmischen. Sie war seit zwei Jahren Witwe und hatte ihr relativ geräumiges Haus so umbauen lassen, dass das kleine Apartment dabei entstanden war.
»Das Haus war für mich einfach zu groß«, sagte sie, »ich habe mich sehr verloren gefühlt. Außerdem fand ich es unheimlich, immer so allein zu sein. Es ist beruhigend, wenn eine zweite Person im Hause ist.«
»Ich arbeite als Bedienung im Elephant in Langbury. Ich komme sehr spät nachts nach Hause …«
»Das macht nichts. Hauptsache, irgendjemand kriegt es irgendwann mit, wenn mir etwas passiert. Man liest ganz schön oft davon, finden Sie nicht? Von älteren Menschen, die in ihren Wohnungen stürzen, und keiner bemerkt es, und schließlich ist es dann für jede Hilfe zu spät. So etwas möchte ich vermeiden.«
»Das kann ich gut verstehen.«
Mrs. Smith-Hyde sah sie misstrauisch an. »Bedienung, sagten Sie? Sie bringen aber keine Männer mit hierher?«
Warum denken so viele Leute bei Bedienung gleich an leichte Mädchen?, fragte sie sich.
»Nein«, sagte sie, »bestimmt nicht. Ich bringe keine Männer mit.«
»Ich bin kein Stundenhotel«, stellte Mrs. Smith-Hyde die Dinge noch einmal ganz klar. »Ich vermiete an Sie, nicht an diverse Herren, die sich dann hier bei Ihnen einnisten.«
»Da müssen Sie sich keinerlei Gedanken machen, Mrs. Smith-Hyde.«
Die ältere Dame knurrte etwas, das wie hoffentlich klang, und meinte dann übergangslos: »Die Miete für den ersten Monat will ich aber gleich im Voraus. Also die für den restlichen Februar und für März. Und zwei Mieten als Kaution.«
Sie schluckte. Das würde teuer werden.
»Wann kann ich denn einziehen?«, fragte sie.
»Sofort, wenn Sie mögen.«
»Hm.« Sie überlegte. Sie hatte bei Mr. Cadwick den Februar bereits bezahlt, und wenn sie nun Hals über Kopf und ohne die geringste Frist zu wahren bei ihm auszog, stand nicht zu erwarten, dass sie auch nur einen Penny davon wiedersehen würde. Andererseits hielt sie es einfach keinen Tag länger bei ihm aus, also blieb ihr nichts übrig, als den Februar doppelt zu bezahlen, eine ungeheure Verschwendung, aber sie hatte keine Wahl. Immerhin musste Mr. Cadwick ihr ebenfalls eine Kaution zurückzahlen, so dass sie in dieser Hinsicht kein größeres Loch in ihrer Kasse zu erwarten hatte. Ein Fahrrad musste sie schließlich auch noch kaufen. Anders konnte sie in der Nacht nicht von Langbury bis zu ihrem neuen Domizil gelangen.
»Dann miete ich es sofort«, sagte sie entschlossen, »und innerhalb der nächsten Tage werde ich einziehen. Ich habe auch bisher möbliert gewohnt. Ich bringe eigentlich nur meine Kleider mit.«
»In Ordnung«, stimmte Mrs. Smith-Hyde zu. »Sie haben einen guten Griff getan, das kann ich Ihnen sagen. Wenn Sie hinten aus dem Garten hinausgehen und über die Wiesen laufen, kommen Sie zum Strand. Im Sommer kann man da baden. Und es sind kaum Leute da. Hierher verirrt sich nie jemand.«
Genau das, was ich suche, dachte sie, und doch wurde ihr gerade bei dieser Formulierung ein wenig schwer ums Herz. Ja, hierher verirrte sich vermutlich noch weniger jemand als nach Langbury. Ihr Leben geriet immer tiefer in die Einsamkeit, in die Abgeschiedenheit. Sie war keine dreißig Jahre alt und vergrub sich im Haus einer ältlichen Witwe irgendwo in der Mitte von Nirgendwo. Mit der Aussicht, dass sich daran nie etwas ändern würde.
»Also dann«, sagte sie, »ich muss mich beeilen, damit ich den Bus zurück nach Langbury noch bekomme. Auf Wiedersehen, Mrs. Smith-Hyde. Ich freue mich auf die Wohnung. «
»So schön kriegen Sie es nirgends«, sagte Mrs. Smith-Hyde mit einiger Selbstzufriedenheit. Sie schloss sehr sorgfältig die Tür zum Apartment ab. Die beiden Frauen standen auf einer kleinen, zugigen Terrasse seitlich des Hauses. Von dort gab es den direkten Zugang zu der kleinen Wohnung. Auch das war ein Vorteil: ein eigener Eingang.
Als sie zum Bus lief, recht eilig, damit ihr warm wurde und sie zudem nicht die Abfahrt verpasste, dachte sie: Es ist hell. Immerhin. Vielleicht ist es doch ein erster Schritt. Vielleicht wird sich mein Leben irgendwann öffnen.
Sie verharrte an einem kleinen Gemischtwarenladen, stieß dann entschlossen die Tür auf und trat ein. Sie kaufte einen Daily Minor , denn sie hatte
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