Die Letzte Spur
viel teurere Klamotten als ich. So viel Geld wie sie könnte ich nie für Kleider ausgeben!«
Angela kniff die Augen zusammen. Eine kribbelnde Unruhe erfüllte sie. Das ist es, dachte sie, da ist eine Gemeinsamkeit. Genau das ist uns auch bei Linda aufgefallen. Die Kleidung, die sich so schlagartig verbessert hatte.
Sie stand auf, verließ das Zimmer und lauschte zur Küche hin. Von ihrem Vater vernahm sie ein monotones Brabbeln. Von Sally war kein Laut zu hören. Was kein Wunder war. Angela hatte selbst gesehen, wie sie zwei Schlaftabletten schluckte, obwohl von dem Präparat eine einzige ausgereicht hätte, sie für Stunden in den Schlummer zu schicken.
Sie hatte keine Lust, ihren Eltern etwas zu erklären. Sie wollte direkt mit Inspector Fielder sprechen. Er hatte ihr seine Karte dagelassen.
»Wenn Ihnen irgendetwas einfällt«, hatte er gesagt, »egal, wie unwichtig es Ihnen erscheint – rufen Sie mich an. Bitte haben Sie keine Angst, sich lächerlich zu machen. Alles kann wichtig sein.«
Sie huschte ins Wohnzimmer, wo das Telefon stand. Ihre Eltern hatten an diesem Morgen vergessen, das Bett wieder zum Sofa zusammenzuschieben. Die Bettwäsche war völlig zerwühlt. Angela vermutete, dass sich Gordon die ganze Nacht hin- und hergeworfen hatte.
Sie hatte befürchtet, es sei gar nicht so einfach, sich mit Fielder verbinden zu lassen, aber das hing, wie sie später dachte, damit zusammen, dass sie im Innern angefüllt war mit der Überzeugung, ein Mensch, der wie sie aus dem sozialen Wohnungsbau von Islington stammte, werde grundsätzlich nie irgendwo auch nur eine Spur zuvorkommend behandelt. Tatsächlich stellte man sie aber sofort durch. Sie hatte Fielder in der Leitung, noch ehe sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte.
»Miss Biggs!« Er wirkte fast erfreut. »Ihnen ist etwas eingefallen?«
Die tappen ganz schön im Dunkeln, dachte sie, wenn er so enthusiastisch auf diese Möglichkeit reagiert.
»Nun ja … ich weiß natürlich nicht, ob es Sie irgendwie voranbringt, aber …« Sie berichtete ihm, was sie im Internet gefunden hatte. Er hörte aufmerksam zu.
»Das ist in der Tat eine wichtige Übereinstimmung«, sagte er, als sie fertig war. Sie hatte den Eindruck, dass er dieses Detail bereits gekannt hatte, aber zu freundlich war, ihr das zu sagen. »Ein weiterer Baustein für unsere Überlegung, dass es sich bei dem Mörder von Jane French und dem Ihrer Schwester um ein und denselben Täter handelt.«
»Aber wer dieser Täter ist …?«
»… wissen wir dadurch natürlich noch nicht. Doch wenn wir es mit demselben Mann zu tun haben, können wir ihn enger einkreisen. Wir haben nun immerhin das Umfeld Ihrer Schwester, um zu ermitteln.«
»Haben Sie mit Lindas Exfreund gesprochen?«, fragte Angela.
Fielder nickte. »Ja. Leider hat uns das nicht weitergebracht. Höchstens in dem Punkt, dass wir ihn als Täter meiner Ansicht nach ausschließen können. Er wirkt geschockt und verzweifelt und hat immer noch nicht die Trennung vom letzten Jahr überwunden. Linda hat ihm nicht die geringste Erklärung für den Abbruch der Beziehung gegeben. Natürlich hat auch er vermutet, dass ein anderer Mann im Spiel ist, aber sie hat dazu nichts gesagt.«
»Dann sind Sie keinen Schritt weiter«, meinte Angela mutlos.
Fielder versuchte sich zuversichtlich zu geben. »Ich möchte den Mörder Ihrer Schwester finden, Miss Biggs. Bitte glauben Sie mir das. Mir liegt so viel daran wie Ihnen. «
»Aber es gibt kaum Anhaltspunkte.«
»Es spricht vieles dafür, dass es einen neuen Mann im Leben Ihrer Schwester gab. Mit ihm hat sie Zeit verbracht – wahrscheinlich auch gerade die letzten Tage ihres Lebens, nach dem … Streit mit ihrem Vater. Irgendjemand muss sie mit ihm zusammen gesehen haben. Menschen bewegen sich immer in einer Umgebung, ganz gleich, wie konspirativ sie sich auch verhalten mögen. Lindas Bild ist in allen Zeitungen. Es wird sich jemand melden, Sie werden es sehen.«
»Aber hätte sich derjenige nicht bereits jetzt melden müssen?«
»Oh, da habe ich andere Erfahrungen«, sagte Fielder, »die meisten Leute haben große Angst, etwas Falsches zu sagen, sich zu täuschen und sich hinterher blamiert zu haben. Sie sehen so ein Zeitungsfoto und meinen, die Person darauf zu erkennen, aber dann beginnen sie sich abzusichern. Sie fragen reihum bei Freunden und Nachbarn: Ist das nicht die Frau, die letzte Woche bei Mr. Soundso im dritten Stock aus und ein gegangen ist? Ein paar Leute geben ihnen recht,
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