Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
Sache, dass die Maggies versuchten, mich zu verarschen, aber loszurennen und mich zu blamieren, war etwas ganz anderes.
Als ich auf halber Strecke war, sah ich zwei Mädchen aus der entgegengesetzten Richtung kommen. Ich war erleichtert– und zugleich ein bisschen enttäuscht–, dass der ganze Zirkus nicht allein meinetwegen veranstaltet wurde. Falls es wirklich nichts als Verarsche war, würde ich wenigstens nicht die Einzige sein, die nachher blöd dastand.
Ich war fast da, aber die Sonne stand so tief, dass ich die Gesichter immer noch nicht erkennen konnte, nur dass fünf der Mädchen standen. Eine von ihnen erkannte ich an ihren dichten, roten Locken. In einer Schule voller angepasster Schüler fiel diese wilde, rote Lockenpracht auf, und sie gehörte der schönen, beliebten Dylan Crosby aus der Elften. Von Dylan hätte man einerseits nichts anderes erwartet, als dass sie bei den Magpies war, andererseits war sie so megacool, dass sie letztlich über den coolen Kids stand. Eine, die in fast allen Schultheaterstücken, an die ich mich erinnern konnte, die Hauptrolle gespielt hatte, und es interessierte sie nicht die Bohne, was irgendeiner über sie dachte. Was natürlich dazu führte, dass alle unbedingt ihre beste Freundin sein wollten. Eigentlich sahen Sylvia und ich uns ganz genauso. Aber wenn wir aus der Reihe tanzten, versuchte niemand, uns zu folgen.
Dylan war noch nie mit einem Jungen von der Grace Hall gegangen. Dafür war sie eigentlich viel zu hübsch. Die halbe Schule hielt sie für gefühlskalt, die andere Hälfte vermutete, dass sie irgendwo heimlich einen Freund hatte– einen, der älter war als sie, vielleicht sogar verheiratet. Oder berühmt. Eine Zeitlang gab es sogar auf g R a C e FULLY etwas, das sich Dylanwatch nannte, als alle atemlos darauf warteten zu erfahren, wen sie schließlich erhören würde. Aber die Sache verlief im Sand, als über Dylan einfach kein Dreck ausgegraben werden konnte. Dann ging eine ganze Weile das Gerücht um, Dylan sei noch Jungfrau– was in meinen Augen für sie gesprochen hätte. Doch dann wurde es den Leuten offenbar zu langweilig, sich über eine derart idiotische Vermutung lustig zu machen.
Endlich kam ich ein bisschen in den Schatten und konnte die Gesichter der anderen vier Mädchen erkennen, die da standen: Zadie, Bethany, Rachel und Heather. Die fünf sahen aus, als hätten sie hier das Sagen. Das wunderte mich nicht. Sie waren die beliebtesten Mädchen aus der Zwölften, bis auf Dylan, die dazugehörte, obwohl sie ein Jahr drunter war. Wahrscheinlich, weil sie so war, wie sie war, und weil sie Zadies beste Freundin war– ein beinahe so seltsames Paar wie Sylvia und ich. Das waren die fünf Mädchen, mit denen sämtliche Jungs der Schule ins Bett gehen wollten und an deren Stelle sämtliche Mädchen gern gewesen wären. Und sie hingen ständig zusammen, obwohl es nicht mal so aussah, als könnten sie einander besonders gut leiden.
Ich kannte Rachel und Heather aus dem Feldhockeyteam. Sie waren Spielführerinnen. Heather kam aus gutem Hause, einer steinreichen Familie, die ihren Stammbaum bis zur Mayflower zurückverfolgen konnte. Sie verbrachte die Sommerferien in Nantucket und die Winterferien auf Reitturnieren in West Palm Beach. Das Merkwürdigste an ihr war, dass sie nicht an der Upper East Side, sondern in Brooklyn wohnte. Rachel war aus Paris und fluchte auf Französisch, womit außer Frage stand, dass sie cool war. Sie hatten beide dickes, glattes blondes Haar– Heather trug ihres kinnlang, Rachel ein bisschen länger– und hätten als Zwillinge durchgehen können. Die beiden benahmen sich den anderen Spielerinnen im Hockeyteam gegenüber ziemlich ekelhaft. Mich hatten sie bisher in Ruhe gelassen. Wahrscheinlich, weil ich, obwohl ich erst in der Zehnten war, besser spielte, als sie es je tun würden.
Bethany kannte ich nicht persönlich, aber ich wusste, dass die Magpies sie zum Schreien fanden. Was sie auch überall in der Schule herumerzählte. Sie war pummelig und ziemlich draufgängerisch und wurde wegen ihrer dreisten Streiche dauernd vom Unterricht ausgeschlossen. Ihr Humor hatte jedoch etwas Gemeines und Verletzendes. Darum hatten die Magpies sie wahrscheinlich auch vor ein paar Jahren aufgenommen: Sie hatten Angst vor ihr. Außerdem hieß es, sie würde mit jedem an jedem beliebigen Ort herummachen. Bei all den superdünnen Mädchen, die bei uns an der Schule rumliefen, waren ihre Extrapfunde da sicherlich von Vorteil.
Und alle
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