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Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberly McCreight
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» Beeil dich. «
    Als ich mich noch einmal umdrehte, konnte ich nicht mehr sehen, was sich im Wohnzimmer abspielte.
    » Sind die Jungs hier alle von Wolf’s Gate? « , fragte ich möglichst beiläufig, als wir oben waren.
    » Ja. Die meisten sind in Ordnung. Aber ein paar sind Arschlöcher « , antwortete sie gelangweilt und zeigte auf eine Tür. » Wir gehen da rein. «
    Wir betraten ein kleines Arbeitszimmer mit einem großen Mahagonischreibtisch und einem mit schwarzem Leder bezogenen Bürostuhl. Die Regale an den Wänden waren vollgestopft mit Büchern, alle mit Lederrücken und Goldschnitt und Dünndruck. Und das waren nicht etwa auf alt gemachte, neue Bücher, die waren echt alt.
    » Wow « , sagte ich und trat näher an die Regale. Da standen alle Klassiker– die Odyssee, Moby Dick, Dantes Inferno. » Ich werd verrückt. «
    » Die liest hier keiner « , sagte Dylan, als wollte sie nicht, dass ich einen falschen Eindruck gewann. » Mein Dad sammelt die nur. Alles Originalausgaben. « Sie nahm ein Buch, das gesondert auf einem kleinen Regal lag. » Das hier zum Beispiel. «
    Zögernd nahm ich das Buch entgegen und hoffte inständig, dass ich nichts von dem Bier in meiner Hand darauf verschütten würde. Es war eine Erstausgabe von Fiesta von Hemingway.
    » Wow « , sagte ich noch einmal. Ich hörte selbst, wie bescheuert das klang, aber ich konnte mir nicht helfen. Das Buch war der Hammer.
    » Na ja, ich dachte mir, die würden dir gefallen « , sagte Dylan, riss mir Fiesta aus der Hand und legte es zurück an seinen Platz. Auf einmal war sie total kühl, das freundliche Lächeln, mit dem sie mich nach oben geführt hatte, war verschwunden. Irgendwie war ich ihr auf den Schlips getreten, auch wenn ich nicht wusste, womit. » Ich muss jetzt los « , sagte sie und ging zur Tür. » Du kannst dich hier noch ein bisschen umsehen, wenn du willst, aber ich muss was erledigen. Wir sehen uns später unten. «
    Dann war sie weg. Ich stand allein in der Bibliothek, eine leere Bierflasche in der Hand, den Kopf voller Fragen. Ich hatte keine Ahnung, was passiert war, und erst recht nicht, wie ich es wieder in Ordnung bringen sollte. Das war wirklich nicht leicht, wo ich doch sowieso nicht kapierte, was sich zwischen Dylan und mir abspielte.
    Kaum war ich zu Hause, schrieb ich Ben eine SMS .
    AMELIA
    war heute auf meiner ersten gemischten party
    BEN
    besäufnis?
    AMELIA
    so in etwa
    BEN
    sex, drugs
    AMELIA
    reichlich
    BEN
    für dich nicht?
    AMELIA
    nee… aber dylan war echt nett zu mir
    BEN
    schön
    AMELIA
    dann tat sie plötzlich obercool
    BEN
    mist! wieso?
    AMELIA
    kA! sag dus mir
    BEN
    was weiß ich denn über mädchen? ihr tickt doch alle
    nicht richtig! deswegen halte ich mich lieber an jungs…
    AMELIA
    du bist zu nichts zu gebrauchen
    BEN
    
    Ich warf das Handy aufs Bett, drehte mich um und nahm Zum Leuchtturm von meinem Nachttisch. Nicht, dass ich es noch einmal hätte lesen müssen, um meinen Englischaufsatz zu schreiben. Ich kannte es praktisch auswendig. Virginia Woolf war sozusagen meine Heldin. Nicht, weil sie mit Steinen in den Taschen in die Themse gegangen war– auch wenn das, was Selbstmordmethoden anging, einen gewissen Stil hatte–, sondern weil sie wahnsinnig talentiert war und weil sie sie selbst geblieben war, obwohl die ganze Welt versucht hatte, ihr einzureden, sie solle jemand anders sein.
    Wie unscheinbar kam sie sich an Pauls Seite vor! Er, glühend, brennend; sie, unbeteiligt, spottlustig; er auf Abenteuer aus; sie am Gestade vertäut…
    Ich legte das Buch weg und schaute auf die Uhr. Es war kurz vor zehn. Um kurz nach acht hatte meine Mom mir eine SMS geschickt, um mir mitzuteilen, dass sie sich bald auf den Nachhauseweg machen würde, dass ich aber ruhig schon essen sollte. Ich hatte genug Sushi für uns beide bestellt. Wenn ich ihr kein Abendessen besorgte, ging sie, ohne zu essen, ins Bett.
    Seit Leelah nicht mehr kam, aß ich oft allein, meistens drei-, viermal pro Woche– japanisch, chinesisch, thai. Nie indisch. Das hätte mich viel zu sehr an Leelahs gute Küche erinnert. Meistens war es nicht so schlimm. In den Läden, wo ich Essen bestellte, kannten sie meine Adresse schon auswendig und sagten mir Sachen wie: » Für dich jederzeit! «
    Ich nahm es meiner Mutter nicht übel, dass sie eingespannt war. Sie hatte ihre Arbeit, und die musste sie gut machen. Meistens war ich stolz auf sie. Aber manchmal fühlte ich mich trotzdem ziemlich allein. Was nicht bedeutete, dass ich » auf

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