Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
klickte, tauchte ein Foto von Heather auf neben dem Namen Honey Baxter. Es war ein Porträt. Neben dem Foto waren ihr Wohnort ( New York ) und ihr Alter (achtzehn, was gelogen war) angegeben und was sie mochte– Schokolade – und was sie nicht mochte– Versager.
Dann klickte ich das Foto an, offenbar das erste einer Serie. Es zeigte Heather in Spitzenunterwäsche von hinten, nach unten gebeugt, die Beine gespreizt. Auf dem nächsten Foto beugte sie sich zur Kamera vor, die Hände an den Titten, das dritte zeigte sie mit Schmollmund, einen Finger im Mund. Es waren insgesamt zwölf Fotos, und sie waren alle auf ähnliche Weise pornografisch.
» Ach du Scheiße « , sagte ich.
» Du sagst es– Scheiße « , murmelte Ian mit geweiteten Augen.
Ich ging zurück zur Homepage des Blogs. Es gab von jedem Mädchen, das zu den Maggies gehörte, eine Seite mit ähnlichen Fotos. Alle hatten Gefällt mir -Klicks von hunderten, manche von tausend Leuten. Zadie war Spitzenreiterin. Als ich ein Foto von ihr anklickte, erschienen gleich mehrere auf dem Bildschirm. Sie waren wirklich schmeichelhaft, das musste ich ihr lassen. Schwarzweißfotos mit Weichzeichner aufgenommen. Regelrechte Kunstwerke. Auf einem schien sie komplett nackt zu sein, nur bedeckt von ihren Händen, einem Halstuch, einem Schatten.
» Was soll das alles? « , fragte Ian.
Zumindest schien er sich nicht sonderlich für die Fotos von Zadie zu interessieren. Was ich als Beweis dafür deutete, dass zwischen den beiden nichts gelaufen war.
» Keine Ahnung « , sagte ich. » Ich wusste nicht, dass sie– also, mit so was hab ich jedenfalls nicht gerechnet. «
» Was machen sie mit dir? «
» Wie meinst du das? «
» Wenn du Nein sagst. « Er wirkte richtig besorgt. » Du hast doch wohl nicht im Ernst vor, diesen Schwachsinn mitzumachen. «
» Nein. Ich glaub, eher nicht. «
» Du glaubst es nicht? Ich hätte gedacht, dass dich das abstoßen würde. In deiner Situation. «
» Welche Situation? «
» Na ja, wo du doch… « , stotterte er verlegen. » Wo du doch, wie soll ich sagen, eher brav bist, nicht so verdorben wie die anderen Mädchen. Das meine ich übrigens als Kompliment. Ehrlich. «
Sylvia hatte Ian Greene also erzählt, dass ich noch Jungfrau war. Das war echt das Allerletzte. Und inzwischen stimmte es ja nicht mal mehr.
Ich wandte mich wieder dem Bildschirm zu. Mit angehaltenem Atem klickte ich Dylans Profil an. Natürlich sah sie schön aus auf den Fotos. Aber irgendetwas war anders als bei den anderen Fotos. Sie strahlten etwas Trauriges aus, das es einem schwer machte, sie anzuschauen, aber auch, sich abzuwenden. Offenbar hatte sie genauso wenig Lust dazu, das Spiel mitzuspielen, wie ich. Zadie hatte sie dazu gezwungen.
» Gehst du zurück in die Schule? « , fragte Ian. Er war dabei, seine Sachen einzupacken. » Ich hab noch nicht raus, wie ich da wieder reinkommen soll, ohne dass mich einer sieht. Vielleicht kannst du mir ’n Tipp geben. «
Als er mit seiner großen Kamera in der Hand zur Tür ging, begannen meine Gedanken zu rasen. Wo du doch eher brav bist. Crazy Eyes. Selbst wenn Zadie mich nicht bei den Maggies rauswarf, hätte Dylan vielleicht das Gefühl, ich würde sie wegen dieser Fotos verurteilen, wenn ich keine von mir auf die Seite setzte. Was, wenn sie deswegen mit mir Schluss machte?
» Warte « , sagte ich, als Ian gerade die Tür aufmachte. Er blieb mit dem Rücken zu mir stehen. » Ich mach’s. Es muss sein. «
Ganz langsam drehte er sich um.
» Du brauchst diese Mädchen nicht, Amelia « , sagte er ruhig. Er machte ein Gesicht, als wäre er enttäuscht. » Sylvia hat recht. Diese ganze Sache mit den Clubs ist ein einziger Schwachsinn. «
Ich zuckte die Achseln. » Für die mach ich das auch nicht. «
» Und was ist mit Sylvia? « , fragte er. » Ich glaube nicht, dass sie begeistert wäre, wenn ich ihre beste Freundin in Reizwäsche zu Gesicht bekäme. «
» Hmm, ja « , sagte ich und überlegte. Da hatte er natürlich recht. » Sie glaubt sowieso schon, dass du heimlich was mit ’ner anderen hast. Das weißt du doch, oder? «
» Ja. « Ian Greene nickte und sah mir in die Augen. » Ich weiß. «
Nicht: Unmöglich! Oder: Das ist ja absurd! Nur: Ich weiß. Genauso gut hätte er mir sagen können, mit wem er ins Bett ging. Zadie war es jedenfalls nicht. Da war ich mir ganz sicher, nachdem ich bemerkt hatte, dass er sich überhaupt nicht für ihre Fotos interessiert hatte. Es sei denn, das lag daran, dass er
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