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Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberly McCreight
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hätte es verdient, für den Rest meines Lebens arbeitslos zu sein.
    22. JULI 1997
    An: Kate Baron
    Von: Daniel Moore
    Re: ?
    Wo bist du? Du hast gestern wirklich was verpasst. Du weißt ja, dass ich diese Betriebsfeiern normalerweise nicht ausstehen kann, aber der Abend war eine Ausnahme. Die haben uns nach der Arbeit eine private Führung durch die New York Stock Exchange spendiert. Echt super. Dann Abendessen im Cipriani. Ich sag dir, Kate, es war ein Fehler, das sausen zu lassen.
    Gute Besserung,
    D.

Kate
    28. NOVEMBER
    Durch ihr Wohnzimmerfenster sah Kate die Sonne aufgehen, die die Welt erst in ein dumpfes Grau, dann in ein dumpfes Pink tauchte. Sie war die ganze Nacht auf gewesen. Nachdem Seth gegangen war, hatte sie lange auf dem Sofa gesessen und ihr Telefon angestarrt. Es lag in einer Falte des Kissens auf dem Sessel, wo sie es hingefeuert hatte, nachdem Seth ihr die letzte SMS vorgelesen hatte.
    Dann war sie fast alle Textdokumente durchgegangen, die Duncan ihr ausgedruckt hatte, außer Amelias SMS . Die schob sie immer noch vor sich her, um sie sich vorzunehmen, wenn sie so weit war. Aber inzwischen war ihr klar geworden, dass sie nie so weit sein würde.
    Als Erstes wollte Kate die SMS lesen, in denen Amelia auf ihren Vater angesprochen wurde. Denn die Tatsache, dass sie beide anonyme SMS mit Anspielungen auf den Mann bekamen, mit dem Kate damals geschlafen hatte, konnte kein Zufall sein. Aber diese speziellen SMS herauszufiltern war leichter gesagt als getan. Die Liste der Textnachrichten von unbekannten Absendern und unterdrückten Nummern war schier endlos. Kate brauchte zwanzig Minuten, bis sie endlich fand, was sie suchte.
    Deine Mommy hat eine Ehe zerstört, und dein Daddy ist ein Wichser.
    O Gott. Sylvia hatte nichts gesagt, was Kate auf eine solche Scheußlichkeit vorbereitet hätte. Was Amelia beim Lesen dieser SMS empfunden hatte, konnte sie nur ahnen. Scham wahrscheinlich. Scham für etwas, das sie nicht einmal zu verantworten hatte.
    Kate ging die Liste der anonymen SMS weiter durch und versuchte, das flaue Gefühl in ihrem Magen zu ignorieren. Es war eine wilde Mischung aus Belanglosigkeiten, Benachrichtigungen von der Schule, alltäglichen Mitteilungen von Freunden. Es gab ein paar seltsame Hinweise auf eine Maggie, meist mit einer Zahl dahinter, aber in Amelias Telefonliste war niemand mit diesem Namen eingetragen. Und Kate konnte sich auch nicht erinnern, ihn jemals von Amelia gehört zu haben. Irgendwann brannten ihr vom Lesen all dieser sinnlosen SMS die Augen. Bei den Nachrichten mit den unterdrückten Nummern war sie kaum weitergekommen, und sie brauchte eigentlich eine Verschnaufpause.
    Trotzdem nahm sie sich noch die SMS vor, die Amelia mit Ben ausgetauscht hatte. Auch diese Liste war ellenlang, und schon bald begann Kate, sie eher zu überfliegen– sie las einige, überging andere, überschlug manchmal eine ganze Serie.
    Bei dieser Vorgehensweise, die alles andere als methodisch war, würde sie notwendigerweise einiges übersehen, doch vielleicht war es ja auch unbewusst genau das, was sie wollte. Denn sie fürchtete sich immer noch vor der Wahrheit. Zumindest musste es nicht die ganze Wahrheit auf einmal sein. Außerdem waren es so viele SMS , dass sie Tage gebraucht hätte, um sie alle zu lesen, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als selektiv vorzugehen.
    Auf jeden Fall waren die SMS zwischen Amelia und Ben durchweg freundschaftlich. Beim Lesen hätte Kate sich glatt in diesen Ben verlieben können, wer auch immer er sein mochte. Die seltsamen Umstände, unter denen der Kontakt zwischen den beiden zustande gekommen war, verblassten schon bald hinter der Erkenntnis, dass Ben ihrer Tochter ein echter Freund gewesen war. Selbst im Vergleich zu Sylvia. Zwar bestand kein Zweifel daran, dass die beiden Mädchen sich sehr gemocht hatten, aber in der Beziehung hatte Amelia immer ein bisschen den Kürzeren gezogen. Ben hatte sie offenbar viel mehr Geheimnisse anvertraut, vor allem über einen Jungen namens Dylan, den sie anscheinend gemocht hatte. Auch die Art, wie Amelia über Dylan schrieb, war eine Erleichterung– nervös und ein bisschen verlegen. Verliebt. Jung. Ganz und gar nicht wie ein abgebrühtes Mädchen, das seine Reize im Internet zur Schau stellte.
    Um den verschlungenen Pfaden im Leben ihrer Tochter zu folgen, las Kate als Nächstes ein paar SMS , die zwischen Amelia und Dylan hin- und hergegangen waren. Natürlich fand sie darin entgegen ihrer Hoffnung auch nichts

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